"They couldn't hit an elephant at this dist. . . "

General John Sedgwick, Union Commander, d. 1864,
killed in battle during US Civil War.


Von da.

das hast Du gestern Nacht schön gemacht. Und dabei hattest Du es gewiss nicht leicht. Denn ob Du willst oder nicht: Du trittst die Nachfolge vom werten Herrn Schmidt an, der wiederum die Nachfolge vom Herrn Koschwitz angetreten hat, der wiederum die Nachfolge vom Herrn Gottschalk angetreten hat. Also bist Du die erste Frau in einer langen Reihe von Gute-Nacht-Onkels, die mich ins Bettchen bringen darf. Das hat was romantisches, und wenn ich drüber Nachdenke, daß Du mir damals die Ferien im ZDF versüsst hast, mich quasi in den Nachmittagsschlaf gebracht hast, und jetzt schon wieder für's zu Bett bringen zuständig bist, könnte ich Dich ja fast schon als Teil meiner Fernsehsozialisation betrachten.

Dennoch: Du hättest Dir die ersten 5 Minuten Pappenableserei sparen können. Das hat bei Schmidt schon nicht so richtig auf mich gewirkt, und bei Dir erst recht nicht, weil ich Dich dafür zu lange kenne. Ich mein: ZDF-Ferienprogramm, und dann die ganzen Comedy-Sachen auf Sat1, da darfst Du mir einfach nicht so kommen. Denn die Brainpool-Jungs haben keinen Humor, das beweisen sie schon oft genug beim Stefan Raab. Also lass Dir von denen nix aufschreiben, die sind nicht witzig. Und bewahr Dir Deine Natürlichkeit.

Was ich auch nicht so gut fand: Du unterschreibst mal eben einen 42 Millionen-Vertrag, und bekommst 62.000 Euro pro Sendung, und dann bleibt da nicht mal ein bisschen Geld für eine neue Studiodeko? Ich mein, mal ernsthaft, als ich gestern Deinen Auftritt sah, hab ich zuerst gedacht, Schmidt wär wieder da, und Du wärst nur Gast. War ja alles gleich, mit der Skyline hinten, und der Backsteindeko, und dem Glas Wasser und so. Gut, der Hamster Zerlett hat mir gefehlt, dafür habense Dir Deinen Männe als Bandleader hingestellt, und das ist auch nicht so clever. Denn erstens taugen Bassisten als Bandleader nicht, und zweitens kannst Du da ja nie richtig mit Gästen wie zum Beispiel Sting flirten, weil dein Mann doch dann immer böse guckt, und das geht ja auf Dauer an die Nerven.

Und Apropos Gäste. Das fand ich auch irgendwie doof, daß die da alle wie die Hühner auf Deine kleine Couch gequetscht sind. Also, ich mein, wenn man eine Party schmeisst, guckt man ja auch immer, daß die Leute irgendwie zusammen passen. Und der arme Sting musste also gestern zwischen Deinem Kumpel Pastewka und dem ollen Raab nebst Max sitzen, und das passte nun wirklich nicht, zu mal die Legende namens Sting ja auch kein Wort von Eurem Gebrabbel verstanden hat. Das hatte so "Wetten dass..."-Atmo in noch nerviger, weil enger. Und wie soll das dann in Zukunft laufen? Hast Du dann Ben Stiller neben irgendsonner GZSZ-Ollen sitzen, und Ihr unterhaltet Euch über den Tragekomfort von Tampons? Das bringt's doch irgendwie nicht.

Aber ansonsten hat's mir gut gefallen, und wenn Dir Dein Kuschelsender tatsächlich 3 Jahre Zeit geben sollte, an der Sache zu arbeiten, schalte ich 2007 auch gewiss regelmässiger ein. Nur im Moment ist es eben einfach noch zu viel Anke, zu deutlich Schmidt und zu wenig Late Night, sag ich jetzt mal so.

Alles Liebe,

Herr Shhhh

Anders Peter. Zwei Vornamen. Den Nachnamen schreib ich hier nicht hin, weil wir ja Internezz-Anonymität wahren wollen. Anders Peter, so hieß einer meiner besten Freunde in den ersten drei oder vier Grundschuljahren.

Anders Peter war das Paradebeispiel des Träumers. Er war einer der Jungs, die gerne in der Nase bohrten und dabei an die Decke starrten. Er spielte gerne mit allem, was irgendwie irgendwo rumlag. Vorzugsweise auf dem Tisch, während des Unterrichts. Radiergummis mutierten zu Panzern oder Kriegsschiffen, Pelikan-Füllerpatronen verwandelten sich in Atomraketen und Linieale in Flugzeugträger. (Damals waren solche martialischen Phantastereien bei Jungs normal. Heutzutage wäre das einen kleinen Skandal und mindestens eine Lehrerkonferenz wert.)

Anders Peter, der Träumer. Ich hab anfangs viel Zeit mit ihm verbracht, weil er in meiner unmittelbaren Nachbarschaft wohnte. Gemeinsame Schulwege. Nachmittags spielten wir öfter zusammen, meistens mit Playmobil oder sonstigem Plastik, und Anders Peter legte sich mit reichlich Phanatsie ins Zeug, was mich öfter aufregte, als mir lieb war. Denn das Playmobil-Piratenschiff war nun mal ein Piratenschiff und kein Lastwagen - ausser für Anders Peter. Für Ihn konnte es gerade das sein, was er sich vorstellte, und das regte mich damals immer ein bisschen auf. Heute, in der Nachbetrachtung einer verklärten Kindheit, beneide ich ihn darum.

Verspielt, den ganzen Tag über. So war Anders Peter. Und ich zuckte fast schon zusammen, als er mich auf dem Heimweg nach der Schule irgendwann mal fragte, ob ich schon mal mit einem Mädchen "gegangen" sei. Das muß in der dritten Klasse gewesen sein. Ich war völlig ahnungslos und entgegnete irgendwas von wegen "Klar, mit Sabine letzte Woche, und?" Ich verstand den Zusammenhang nicht, und nahm die Frage als solche. Er jedoch grinste spöttisch und erklärte sich: "Nein, g e g a n g e n! Im Sinne von miteinander gehen!" Ich verstand immer noch nicht, und als er mir dann erklärte, daß er in Sabine verliebt sei, verstand ich. Was er meinte, und wie doof ich damals war.

Dennoch hatte dieses kurze Aufblitzen eines "Erwachsenenthemas" keinerlei Veränderungen auf Anders Peter. Auf mich schon, denn jetzt wollte ich erst recht mal mit einem Mädchen gehen. Anders Peter stattdessen spielte weiter, und als er eines Tages mit meinem Playmobil-Weltraum-Bohrfahrzeug in seiner Nase rumbohrte, und der graue Plastikbohrer danach so verschmutzt war, daß er sich nicht mehr säuber lies, konnte ich Anders Peter nicht mehr leiden. Nicht daß ich penibel war, aber er hatte eines meiner Lieblingsspielzeuge ruiniert, und das ging nun wirklich nicht.

Kurze Zeit später wechselten wir aufs Gymnasium. Anders Peter war in der Parallelklasse, sogesehen sahen wir uns immer seltener, und das war auch gar nicht schlimm, denn mein Freundeskreis wechselte ziemlich schnell. Interessenskonflikte, die Zeit des Spielens neigte sich dem Ende. In der achten Klasse traf ich ihn dann wieder, im Lateinunterricht. Er saß an der Wand, neben ihm eine Wandtafel. Und er saß alleine, weil sich an seinem Habitus, während es Unterrichts in Phatasiewelten zu leben, anscheinend nie etwas geändert hatte. Und während unsereins damit beschäftigt war, Chips und Süßigkeiten versteckt während es Unterrichts zu verzehren, und den Eindruck zu erwecken, man interessiere sich für Ablative und Locative, malte Anders kleine Kriegsschiffe an die Wandtafel und machte dementsprechende Kampf- und Kriegsgeräusche. Ein Träumer durch und durch.

Rüge, Tadel, Schulverweis. Anders Peter mußte recht schnell die Schule wechseln, wurde nicht mehr versetzt. Seine Phantasien kamen bei den Lehren nicht wirklich gut an, und so was es nur eine Frage der Zeit, bis Anders Peter irgendwann nicht mehr auftauchte. Was aus ihm geworden ist, weiß ich nicht, aber ich verwette meine Linke Gehirnhälfte, daß er mittlerweile als hochbezahlter Ingenieur arbeitet, und Sachen erfindet. Oder in der Rüstungsindustrie beschäftigt ist, und dort blaue Raketen baut, die wie Pelikan-Tintenpatronen aussehen. Wer weiß das schon so genau.

Warum ich mich heute an Anders Peter erinnere? Weil seit Jahren schon ihm zu Ehren ein Kalauer durch diese phantasielosen Räumlichkeiten kalauert. Jedesmal, wenn ein Satz auf "anders" endet ("Das geht auch anders!"), werfe ich ein, daß ich mal einen Klassenkameraden hatte, der Anders hieß. Sehr zum Leid meines Umfeldes, das die Wichtigkeit und Richtigkeit dieser Feststellung in keinster Weise nachvollziehen kann. Aber was soll's, ich weiß ja, was gemeint ist.

mit "Wichser, Arschloch, Dumme Sau" begrüßt werden, ist höchstgradig irritierend. Wenn sich dann jedoch herausstellt, daß der werte Kollege eigentlich um 7.30 Uhr nach Duisburg fahren wollte, dann aber um 7.25 Uhr, geschniegelt und gestriegelt am Bahnhof stehend die telefonische Terminabsage bekommen hat, kann man sich auch mal in Toleranz ob solcher Vulgarismen am Morgen üben. Pech gehabt, der alte Sack.

 

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