Als ich eben in der Mittagspause auf die übetrieben große Portion Buttererbsen blickte, dabei den faden Geschmack von gefrorenem Plastik im Mund hatte, und mit meinem Kollegen über die unterschiedlichen Sättigungsgrade von Gefriertorten witzelte, sah ich plötzlich die Vergangenheit. Die Zeit, als ich Sonntags nach dem abendlichen Bad von meiner Mutter auf ein weiches Handtuch gesetzt wurde, um mit Puder und Föhn ein wenig mütterlich übetriebene Pflege abzubekommen erschien vor meinem inneren Auge. Und eine Stimme, die wie Scarlett Johansson klang, sagte ständig "Bofrrrrost!",

Tatsächlich hat mir der bunte Gefrierwarenkatalog damals, als ich noch ein kleiner Junge war, der gerne Fliegen in die Mikrowelle steckte und sich mit einem Bauarbeiterhelm auf dem Kopf unter herabstürzende Bücherregale setzte, furchtbar viel Freude bereitet. Mit einer diebischen List begutachtete ich die wunderschön fotografierten Nahrunsmittel. Ein ähnliches Gefühl habe ich heute manchmal, wenn ich mir ominöse Frauenmagazine anschaue, nur um mich dann zu Fragen, woher die Redakteurinnen eigentlich immer so viel über uns Männer wissen wollen, wenn wir doch eigentlich nie was über uns sagen. Zumindest nicht Frauen gegenüber.

Der Bofrostkatalog war für mich ein Mysterium. Sollte denn alles, was da so hübsch dekoriert rumlag, wirklich gefroren sein? Das ganze knackig aussehende Gemüse, die wundervoll opulenten Torten, die unheimlich lecker aussehende Kuchen, die komplett wirkenden Fertiggerichte, das frische Obst? Oder bekam man, ähnlich wie in Science-Fiction-Filmen, eine Art Klotz oder Block geliefert, der nach kruzer Auftauzeit die Gestalt der im Katalog abgebildeten Lebensmittel annahm? Ich kann mich erinnern, daß ich mich jedesmal ärgerte, weil meine Mutter ausser ein paar Bohnen und etwas Spinat nie wirklich aufregendes beim Bofrost-Mann bestellte. Und wenn der Bofrost-Bote mit seiner großen Lieferkiste kam, und seine Bestllung vorbeibrachte, war die Hoffnung jedesmal groß, daß meine Mutter vielleicht ja doch eine dieser fantastisch aussehende Riesentorten bestellt haben könnte. Aber die Enttäuschung war jedesmal die selbe, und die einzige Freude die mir blieb war dann der neue Katalog, den ich wieder mit herzenslust und voller Verwunderung durchblätterte. So wie heute die ominösen Frauenzeitschriften. Aber das hatten wir ja bereits.

Ich kann mich nur vage an den Tag erinnern, an dem ich dann doch vom Lieblingslieferanten meiner Mutter überrascht wurde. Sie hatte Käsekuchen bei Bofrost bestellt, und den gab es dann Sonntags. Vor dem Bad. Ich war hin und weg, vollkommen aufgeregt. Und dabei ist Käsekuchen nichtmals etwas sonderlich spektakuläres. Doch ich konnte einfach nicht glaube, daß sich in dieser bunten Pappschachtel, die nur einen gefrorenen, runden, leicht gelblichen Klotz enthielt, in Wirklichkeit ein ganzer, leckerer Käsekuchen verbergen sollte. Der auch noch Ähnlichkeit mit einer der Abbildungen aus dem Katalog haben sollte.

Als der Wunderkuchen an jenem Sonntag endlich aufgetaut war, und ich das erstemal probieren durfte, war ich hin und weg. Es schmeckte gar wunderbar. Der Käsekuchen, der letztendlich aber garnicht so aussah, wie der aus dem Katalog, war sogar mit Rosinen gefüllt, und das war etwas besonderes für mich, denn der Käsekuchen aus der Bäckerei war immer ohne Rosinen. Ich mochte diesen Kuchen so sehr, das meine Mutter von nun an immer Käsekuchen beim Bofrost-Mann bestellte. So lange, bis ich ihn nicht mehr mochte. Ob das Absicht war, weiß ich nicht, aber selbst jetzt wird mir irgendwie schlecht, wenn ich an den Käsekuchen vom Bofrost-Mann denke, an dessen Gesicht ich mich jedoch nicht mehr erinnern kann.

Und natürlich ist das, was die Redakteurinnen in den Frauenzeitschriften über uns Männer zu wissen glauben, in Wirklichkeit auch so, obwohl es nach Käse klingt. Es sieht eben nur anders aus.
schnatterliese kommentierte am 5. Feb, 16:28:
ungefähr
so verführerisch

kindheitstraumata allerortens und immer spielen honig-smacks (war nicht, weil ungesund), nutella (dito) und bofrost eine rolle. 
shhhh entgegnete am 5. Feb, 16:39:
Wenn, dann
hausgemachte Kindheitstraumata.
Welche Generation kann neben der unseren von sich behaupten, durch die Nebeneffekte der freien Marktwirtschaft geprägt worde zu sein.

Ich hatte mal die Geschäftsidee, die Formel der Restmilch einer großen Portion Kellogs Frosties herauszufinden, und das Ergebnis dann in schöne Flaschen zu füllen. Reich werden mit süßer Milch, die Tony den Tiger auf'm Ettikett hat. 
schnatterliese entgegnete am 5. Feb, 16:49:
da
wär was draus geworden. ich bin sicher. ganz sicher. weil sich nämlich restmilch aus kellogs produkten immer, ja immer! farblich von schnöder milch mit zucker unterscheiden.

geschmackspapillenkindchenschema, das ist 
 

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