Nach dem mir der gestrige Auftritt der "Genesis Coverband" gehörig auf die Nerven ging, und die beiden Herren Freunde mich mit dem Segen meiner herzallerliebsten Frau E. in den sogenannten Akademikerkeller mitschleppten - nirgendwo ist das Bier so günstig wie dort - lernte ich einen jungen Mann kennen, der wie Fad Gadgets Frank Tovey (Gott hab die Helden meiner Jugend seelig!) aussah, und eine hufeisenförmige Narbe am Kopf hatte.

Verursacher dieser Narbe war laut seinem Bekunden tatsächlich ein Pferd, welches ihn wohl in einem Anfall von übetriebenem Bewegungsdrang (das ist wohl so bei Pferden) unglücklich erwischte. Dieser junge Mann, der Frank Tovey wirklich verblüffend ähnelte, war auf der Suche nach Drogen, und allein deshalb kam er mit uns ins Gespräch. Was mich natürlich wundert, weil ich nicht glaube, wie ein klassischer Dealer auszusehen.

However, Frank Tovey der 2. referierte dann irgendwann über Neuroleptika und die Tatsache, daß Prozac nur bei glücklichen Menschen wirkt, und daß man die selbe Wirkung auch mit Kaffepulver, Mehl und Zucker erreichen könne, wenn man denn diese Grundzutaten richtig mischen würde. Und in dem Moment erinnerte mich dieser Kerl mit dem Hufeisen am Schädel nicht nur an Mr. Tovey, sondern auch an einen gewissen Daniel aus meiner Jugend.

Der war so ziemlich das skurrilste Element meines damaligen Freundeskreises. Rühmte sich damit, Waffen und Drogen aller Art besorgen zu können. Und irgendwie glaubte man ihm das auch. Daniels bester Kumpel, der dicke Mark, hatte eine verkrüppelte Hand, und die hatte er wohl Daniel zu verdanken. Oder vielmehr Daniels Unkraut-Ex-Rohrbombenbaukenntnissen.

Meine Mutter hatte ein Faible für Medikamente aller Art. Respektive: Dadurch, daß meine Mutter im Krankenhaus arbeitete, hatte sie natürlich uneingeschränkten Zugriff auf Medikamente aller Art. Ob Schlafmittel, Antibiotika oder eben besagte Neuroleptika. Selbst die heißgeliebten Katzen meiner Mutter hatten ihr eigenes Fach mit Tabletten (Beruhigung, glänzendes Fell, und vielleicht sogar was zum einschläfern. Man weiß es nicht...).

Als Daniel irgendwann mal Vormittags mit mir und ein paar anderen Lausbuben die Schule schwänzte, entdeckte er im Badezimmer meiner Eltern eben jenes Medikamente-Reservoir. Diese Begeisterung, dieses plötzliche Glänzen in den Augen, und vorallem die mit Pillen aller Art gefüllte Butterbrottüte, die er dann zückte, um seine Sammlung zu vervollständigen, lassen mich auch heute noch erschaudern. Ich will gar nicht wissen, was er mit dem Zeug gemacht hat - vermutlich zu weiten Teilen selbst konsumiert, und die harmlosen an irgendwelche ahnungslosen Jungs verkauft.

Als Frank Tovey dann unseren Tisch verließ, und der Bomben--Daniel sich in meinem geistigen Auge festsetzte, wurde mir erstmals bewusst, wie viele Menschen ich in meinem nächsten Verwandten- und Bekanntenkreis hatte und habe, die sich mit stoischer regelmässigkeit das Gehirn zubomben. Sei es nun mit Alkohol, Medikamenten, oder eben härteren Sachen. Nicht, daß ich mir deswegen großartig Sorgen machen würde, denn es ist ja schließlich jedem selbst überlassen, wie er seinen Alltag erleben möchte. Aber die Tatsache, daß ich so viele kenne, die das alles eben einfach nicht mehr Clean ertragen, macht mich stutzig.

Ich glaube, darauf trinke ich heute Abend erstmal eine Flasche Bordeaux.
 

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