Jawohl. Blumfeld sagen in ihrem Statement zum Thema "Deutschland. Nation. Heimat und Popmusik" genau das, was ich als Ausländer in diesem Land nicht formulieren möchte. Diese neue Identitätsuche in der deutschsprachigen Popmusik, die ja irgendwie mit mia angefangen hat, und jetzt gerade bei Heppner und Virginia Jetzt auch die extremen Randzonen der ausformulierten Kitschigkeit erreicht, nervt gewaltig. Eine nationale Identität kann man nicht erzwingen/ersingen - wohin das führt, hat die Vergangenheit bewiesen. Eine Identität muß von alleine wachsen. Alles andere ist (m)ein K(r)ampf.
Edit:
Um da zu differenzieren - ich teile nicht die Blumfeldsche Meinung, daß man sich in unserer Generation grundsätzlich nicht dazu bekennen dürfe, auf seine Heimat stolz zu sein. Ich bin aber - und da geb ich Blumfeld recht - der Meinung, daß das nicht auf eine Art rattenfängerische Popquoten-Heimtgefühlsduselei passieren darf, die sich weniger auf ein Heimatgefühl, als auf eine vorbelastete Definition von Stolz bezieht.
Edit:
Um da zu differenzieren - ich teile nicht die Blumfeldsche Meinung, daß man sich in unserer Generation grundsätzlich nicht dazu bekennen dürfe, auf seine Heimat stolz zu sein. Ich bin aber - und da geb ich Blumfeld recht - der Meinung, daß das nicht auf eine Art rattenfängerische Popquoten-Heimtgefühlsduselei passieren darf, die sich weniger auf ein Heimatgefühl, als auf eine vorbelastete Definition von Stolz bezieht.
Herr shhhh
am Freitag, 3. September 2004, 15:49
Eriador kommentierte am 3. Sep, 16:01:
Edit
man kann sie sicher nicht erzwingen, es sollte aber auch keine notwendigkeit bestehen sich hinterm ofen zu verstecken, was geschehen ist, ist fakt, davon können wir uns nicht freimachen, aber nichts destotrotz sollte man imstande sein nach vorne zu sehen und zu gehen, wir können uns nicht ewig hinter den untaten unserer vorfahren verstecken, wir sollten vielmehr zeigen, das wir daraus gelernt haben, das zeigt man aber nicht in dem man sich fortwährend seiner herkunft schämt und denen das wort läßt, die nichts gelernt haben, somit muss ich sagen, dass ich dieses statement reichlich daneben finde.einen gewissen nationalstolz zu besitzen, und dieses land hat sicherlich das eine oder andere hervorgebracht auf das man stolz sein kann, sollte nichts sein, wofür man sich schämen muss, vor allem bedeutet es nicht, dass man hitlers taten ehrt.
um es vorweg zunehmen, nein ich habe keine sympathien für braune ideologien, ich bin selbst nur teildeutsche, eigentlich gar keine, meine vater ist tunesier, meine großeltern beide schlesier somit meine mutter von blutes wegen auch.
Edit:
Im übrigen sollte man vielleicht nicht vergessen, dass (und man kann von diesen Bands halten was man will, die Musik nervt mich auch) ein ziemlich beachtlicher Mut dazu gehört, sich auf dieses Pflaster zu wagen. Denn in der Regel wird man dann gleich mit den braunen Scheißern in einen Topf geworfen. Aber es bewegt sich was. Ganz deutlich. Ein Film wie der über Hitler wäre vor einigen Jahren noch nicht möglich gewesen, ein nationales Bewußtsein zu besitzen, bedeutet nicht automatisch das man in das nächste nationalsozialistische Regime zu trotten, vielmehr bedeutet es diesem Land mehr zuzugestehen als nur HITLER. Die Habenseite hat auch so einiges zu bieten, vergessen wir mal nicht das deutsche Kulturgut, kein Grund Stolz zu sein, auf Goethe, Beethoven, Schiller, die Familie Mann, ...??
shhhh entgegnete am 3. Sep, 16:18:
Frau Eriador,
was die Vergangenheitsbewältigung an sich angeht, gebe ich Dir vollkommen recht. Es macht für unsere Generation keinen Sinn mehr, sich für die Vergangenheit schuldig zu fühlen. Es macht für unsere Generation aber im Umkehrschluss dann auch genau so wenig Sinn, sich mit einer nationalen Identität zu brüsten, die letztendlich auf den alten Werten aufbaut. Wenn Heppner zeilen singt wie:"Wir sind wir! Wir stehen hier!
So schnell kriegt man uns nicht klein,
Keine Zeit zum bitter sein."
dann ist das schlicht und ergreifend ein gefährliches Spiel mit einem Verständnis von Nationalität und Patriotismus, der sich aus der nazi-Zeit nährt. Ich sag's also noch mal deutlicher: Es geht nicht darum, nicht sagen zu dürfen, daß man stolz auf seine Nationalität ist. Ich teile auch nicht die extreme Blumfeld-Meinung, was die Vergangenheitsbewältigung angeht, denn ich für meinen Teil weiß ja, was passiert ist, muß mich aber in dem Sinne nicht zur Rechenschaft ziehen, weil das einfach nicht meine Generation ist. Mir widerstrebt es aber, daß eben meine Generation auf nationalen Werten aufbauen soll, die sich aus der Kriegszeit nähren. Und da geb ich Blumfeld voll und ganz recht. Das ist verdammt nah an Braun!
Auch Edit (ganz kurz gefasst):
Man braucht kein "Wir sind wir!", um Stolz auf seine Herkunft zu sein. Popmusik braucht keine Nationalhymnen. Darum geht's.
Eriador entgegnete am 3. Sep, 16:28:
Dann drück Dich deutlicher aus, denn so klar schreibst Du es oben nicht, Du unterstützt Blumfeld, die das Thema genauso ignorant behandelt wie alle Welt es tut, wir sind Deutsche, wir haben Hitler eine Plattform geboten, ergo haben wir auf alle Zeit kein Recht mehr auf irgendetwas stolz zu sein. Scheiße!
Auch wenn wir ihn nicht geholt haben, leben wir zwangsläufig in der Gegenwart, die aus unserer Vergangenheit gewachsen ist, und Hitler ist nun mal ein Teil der Vergangenheit dieses Landes, ein verdammt dunkler, aber deshalb dürfen wir nicht die Augen zumachen und behaupten, wir hätten es alles besser gemacht, das wissen wir nicht. Die Gegenwart wird aus der Vergangenheit genährt, daran kann man nichts ändern.
Ich kann an den Zeilen:
"Wir sind wir! Wir stehen hier!
So schnell kriegt man uns nicht klein,
Keine Zeit zum bitter sein."
Nichts böses erkennen, denn die Zeit zu bitter sein, die ist vorbei, wir können es nicht rückgängig machen, wenn es auch noch so schön war, wir sind wer wir sind, und wir sollten tunlichst die Augen nach vorne richten, in dem Bewußtsein was hinter uns liegt und stets darum bemüht sein eine bessere Zukunft zu schaffen.
Eriador entgegnete am 3. Sep, 16:31:
Doch Shhhh dieses Land braucht hymnen, denn dieses Land hat kein Bewußtsein mehr. Es fängt grade erst an eines zu entwickeln, zum Teil auch dank eines Kanzlers, der sich getraut hat "Nein" zu sagen, als es um den Krieg im Irak ging, und der damit diesem Land wieder einen eigenen Willen zu gebilligt hat. Der Schutz den Deutschland braucht, ist der Schutz vor sich selbst. Denn Wir sind Wir bedeutet auch wir sind was wir SIND nicht was unsere Vorfahren waren.
shhhh entgegnete am 3. Sep, 16:42:
Nein, Frau Eriador, seh ich nicht so.
Wenn dieses Land eine musikalische Wertschätzung bekommen sollte, dann soll das bitte ohne dieses "Sehnsuchtsgedudel" passieren. Ohne Textzeilen, die sich im in den 40er Jahren geprägten Nationalstolz suhlen. Ohne textzeilen, die im zweifelsfalle eben auch von menschen missbraucht werden können, die da in ihrer Nationalstolzdenkweise noch nicht so offen und weit sind, wie Du zum Beispiel. Ich finde, dieser "neue Deutsche Stolz" darf kein Trend sein. Das ist er aber im Moment, und zwar so unsubtil, daß es eben einfach gefährlich ist. Es sagt ja keiner, daß man nciht auch ein Loblied auf seine Herkunft singen darf. Aber dann bitte in einem Kontext, der auch der Gegenwart angemessen ist. Und so platt das beispiel jetzt ist: Wenn Tom Astor die tollen Felder und Wiesen an den deutschen Autobahnen besingt, dann ist das für mich eine weitaus intensivere und ehrlichere und vor allem auch wesentlichere Vaterlandsliebe, als "Wir sind wir!" - ein Spiel mit gebrochenem Stolz, und mit Sehnsüchten nach einem Stolz, der keiner ist.Edit: Ich kenne auch nicht einen einzigen ausländischen Pop-Song, der Stolz so extrem propagiert und erzwingt. Selbst Springsteens "Burn in the USA" spart nicht mit Kritik. Welchen Sinn macht als "Wir sind wir!", ausser von irgendwelchen verstrahlten 20six-Bloggern mit AH-Konterfeit im profil wahrscheinlich als Lieblingslied auf dem Kopfhörer zu laufen. Das ist der Kritikansatz. Hier wird etwas mit völlig falschen Mitteln generiert - mit Ideologien.
Eriador entgegnete am 3. Sep, 16:54:
Du hast sicherlich Recht, wenn Du sagst, dass er kein Trend sein darf, aber die Musik ist das, was momentan oben auf der Welle schwimmt, zumindest verstehe ich das so, wie sonst könnte dieser HitlerFilm grade jetzt in die Kinos kommen, da hätte sich vor einigen Jahren keiner ran getraut, schon gar kein Eichinger, von Bruno Ganz ganz zu schweigen. Ich weiß das manche Texte grenzwertig scheinen mögen, das hat aber einfach auch viel damit zu tun, das wir regelrecht darauf gedrillt sind sofort "Nazi" zu schreien, so laut wie möglich, wenn irgendwas nach nationalem Bewußtsein klingt, weil Nationalstolz hier immer mit dem 3. Reich gleichgesetzt wird. Wir lassen uns nach wie vor von braunen scheißern den Mund verbieten, aus Angst mit Ihnen in einen Topf geschmissen zu werden. Schau Dir Mia und Virginia Jetzt an, das sind keine Böhsen Onkelz oder Störkraft, Heppner ist das schon grenzwertiger, war er meines Wissens schon immer, lehnt sich aber glaube ich eher an das Deutsche Kaiserreich als an Hitler, ewiggestrige gibt es immer, aber nicht alles was war ist schlecht gewesen (außer Hitler, aber selbst der hat immerhin die Autobahnen gebaut über die Astor singen kann) und Fried hat schöne, wenn auch extrem schmalzige Gedichte geschrieben, wieso sie nicht besingen, das macht man seit Jahrhunderten so, wir können diese zwei Jahrzehnte nun mal nicht aus dem Weltkalender schreiben. Du störst Dich bei anderer Musik auch nicht, wenn sie die Vergangenheit zitiert, Du machst es sogar selber, nur zitierst Du die 80er nicht die 40er.
Eriador entgegnete am 3. Sep, 16:56:
Störst Du Dich nur am Sehnsuchtsgedudel? Ja ist scheißmusik, ihr gehört in die Charts, aber da arbeiten wir doch dran :)
Eriador entgegnete am 3. Sep, 16:57:
Noch ein PS.Identitäten wachsen nie von alleine, um Grimm zu zitieren:
Verinnerlichungen und Abgrenzung sind die Maßgeblichen Elemente der Identitätsentwicklung.
Eine Identität entsteht im sozialen Gefüge.
shhhh entgegnete am 3. Sep, 17:04:
Frau E.,
nicht alles in einen Topf werfen. Ich zitier ja musikalisch, daß ist ja schon wieder was anderes, und das hängt ja auch eher mit meiner musikalischen Sozialisation zusammen. Ich seh mich aber als Künstler irgendwo in der Verantwortung. Will heißen, wenn ich Texte schreibe, und genau weiß, daß das auch gehört wird, dann bin ich auch vorsichtig. Der Heppner, den Du da gerade mit dem Witt verwechselst (die beiden hatten aber mal ein Duo, das stimmt), der hat das für meinen Geschmack einfach zu offensichtlich auf diesen faschistoid angehauchten 40er jahre Nationalstolz getrimmt. Das ist meiner Meinung nach nicht besser als Störkraft. Eigentlich sogar noch schlimmer, weil die selben Werte in einer weichgespülten Variante serviert werden. Ich will ja noch nicht mal sqagen, daß der Heppner ein Fascho ist. Vielleicht hat der das alles auch ganz anders gemeint, und vielleicht sogar in dem Sinne, wie Du das siehst. ABER - und das ist jetzt bewusst groß geschrieben - Kai, der 17jährige Fascho aus Siegen-Geisweid, der sieht das ein bisschen anders. Der freut sich nämlich immer, wenn der Heppner hört, weil er dann sagen kann: Aha, der Heppner ist auch einer von uns, und alle finden den gut, also haben ich und meine Jungs ja recht mit Deutschland, Deutschland. Und darum geht's letztendlich. Das ist ein sehr gefährliches Spiel. Ich kann über den Eichinger-Film nichts sagen, ich hab ihn nicht gesehen. Ich kann aber sagen, daß es mich stört, wenn jemand "Wir sind wir!" singt, obwohl da "Ich bin ich!" angebrachter ist.
shhhh entgegnete am 3. Sep, 17:09:
Zu Deinem PS:
Ich hab leider weder von Grimm, noch von Soziologie eine Ahnung - widerstrebt mit aber auch, da irgendwas zu zitieren, denn sonst müsst ich bei der Bibel anfangen, und der Tatsache, daß Stolz mal eine Todsünde war. Was die Identität angeht: Ich glaube (ich weiß es aber nicht), daß die mit vermittelten und erlernten Werten wächst. Wenn ich mich auf 40er Jahre Werte berufe, ist das aber nciht sinn der Sache. Im Zuge von Vergangenheitsbewältigung erst recht nicht.
Eriador entgegnete am 3. Sep, 19:25:
"unter Ausschluß der Öffentlichkeit"
Klamue entgegnete am 4. Sep, 01:42:
Deutschland, so what?
Interessante Diskussion. Schade das sich nicht mehr Menschen eingeschaltet haben. Ich melde mich morgen, wenn es dann noch ein Thema ist
casaubon kommentierte am 4. Sep, 06:42:
Heimat ist
meine liebste, sie weilt 300 km weit weg. heimat ist meine beste freundin. sie lebt in italien. stolz bin ich auf dinge, die ich geschaffen habe. deutschland habe ich nicht geschaffen. schiller, goethe, nietzsche und kant sind nicht deutsch, sie sind schiller, goethe, nietzsche und kant. NATIONalität ist ein unmögliches konstrukt. bin ich deutsch? ist die kebabbude nebenan deutsch? ist ein österreicher deutsch? niemand ist wirklich deutsch, denn deutschland ist ist nur eine kategorie mit elf buschstaben. elf buchstaben im pass.jede art von nationalismus (=patriotismus=nationale identität) ist schlecht, sagte einstein (unbestätigter weise). recht hat er! (IMHO)
heppner, mia und der ganze rest sind bestimmt nicht mutig, sie sind DUMM, sie sind SCHWACH, denn sie brauchen NATIONalität als stütze. Und 'unsere' Athleten gewinnen bestimmt kein Gold, nirgendwo, den das 'unser' kann es nicht geben...
...oder habe ich ihnen etwa anabolika gespritzt?
scheinwerfer kommentierte am 4. Sep, 12:23:
Sehe ich ganz genau so.Erinnert sich überhaupt noch jemand an den Streit wegen des Begriffs "Leitkultur"?
Haltungsturner kommentierte am 6. Sep, 16:39:
Koordinaten
Staunend stehe ich vor dieser Diskussion, die ja genau zur selben Zeit kommt wie die Nazi-"Aktion Schulhof". Zufall? Das Problem scheint mir jedenfalls eher zu sein, dass die Generation nach uns (also die bis zwanzig) so ganz andere Koordinaten haben. Ist mir neulich mit einem Verwandten so gegangen: http://luebue.blogspot.com/2004/07/rechts.html.Ich erlebe es bei Kindern von Liberalen und Linken und Ökos und allen, dass die auf einmal diese weichgespülte Sch** hören. Oder eben die harte Variante a la Rammstein und Onkelz.
shhhh entgegnete am 6. Sep, 16:49:
Bei all der Diskutiererei
rund um dieses Thema, die sich nach dem Blogeintrag ja auch noch über Stunden "offline" fortsetzte, ist mir eine Sache bewusst geworden: Ich glaube, der kaufenden Zielgruppe ist das alles scheißegal. Und das ist das wirklich schlimme daran.
Russelwussel entgegnete am 16. Sep, 00:39:
Das schlimme daran ist,...
...dass das alles gar nichts mit braunem Sumpf zu tun hat, aber alle Leute sich sofort glühend aufregen, wenn sie ihr Lieblingsgespenst glauben zu erwittern. Heppner singt von der Überwindung der Knechtung der Rechtsdiktatur und der späteren Linksdiktatur der DDR, und von der Depression der Gegenwart. Zu viele verwechseln Pathos mit Nationalsozialismus. Da liegt das Problem! Die Nazis haben sich des Pathos bedient, richtig! Hitler mit Gesten des Magiers Hanussen, und mit den Bildern von Leni Riefenstahl. Auch Heppner setzt "Pathos" für seine Video ein. Aber warum den Braunen den Pathos überlassen frag ich? Sollen sie ewig ihre vergangene Macht damit belegen! Vergangenheitsbewältigung heisst auch den Braunen Socken den Pathos zu entreissen und mit Sinn zu belegen. Sowohl mit Schwärze, als auch mit Mut für die Zukunft. "Gothic goes positiv" titulierte treffend ein Freund vor wenigen Tagen, als wir uns "Wir sind Wir" in VIVA ansahen. Imo ist Heppner damit ein ganz großer Wurf gelungen. Wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob er erst meint, oder unserer Gesellschaft nur einen Spiegel vorhält, wahrscheinlich sogar beides.