Julian war ein Dandy. Eine Art Johnny Depp für den Mittelstand. Zumindest damals, als wir zusammen die Schulbank drückten. Wobei wir das auch nicht wirklich gemeinsam taten, denn Julian war eine Stufe über mir. Wir waren dennoch gute Freunde, was zum einen daran lag, daß ich mich in jener Zeit lieber mit älteren Menschen abgab, zum anderen aber auch damit zusammenhing, daß wir beide den selben Nebenjob hatten. In einer Kneipe, mitten in Düsseldorf, hinterm Tresen, beim "schwulen Reinhard". Natürlich hieß die Kneipe nicht "Beim schwulen Reinhard", sondern anders. Aber Reinhard war bekennender Schwuler, und hatte natürlich seinen Heidenspaß, uns "Heten" immer wieder aufzuziehen. Die Retourkutsche war brüllendes Gelächter von unserer Seite, wenn Reinhard mit den Worten "Ich bin mal eben hinten drin!" in der Küche verschwand.
Es war eine schöne Zeit, mit Julian dem Womanizer, dort, bis 5 Uhr morgens in der Kneipe, mit pöbelnden Besoffenen, pöbelnden Teenies, pöbelnden Omas, einem pöbelnden Schwulen und einem Haufen verrücktgewordener Frauen, die jeden Abend damit verbrachten, Julian von der anderen Seite des Tresens aus anzuschmachten. Das Alter spielte da keine Rolle. Ob 14 oder 40, er zog sie alle ungewollt in seinen Bann, und irgendwie empfand ich seine Ignoranz gegenüber diesen Dingen als äusserst erfrischend. Nicht, das ihm Frauen egal gewesen wären, aber seine Anziehungskraft war ihm auch nie wirklich bewusst - und das machte den Vorort-Depp zu einem wirklich angenehmen Zeitgenossen.
Wie anziehend Julian auf Frauen wirken konnte, bemerkte er selbst erst in jener Woche, als er spurlos verschwand. Ich kann mich noch genau an die entsetzte Stimme seiner damaligen Freundin erinnern, die sich bitterlich darüber beklagte, daß Julian sich seit ganzen vier Tagen nicht mehr bei ihr gemeldet hätte, und dann panisch wurde, als ich ihr sagte, daß er auch nicht zur Arbeit aufgetaucht sei. Julian war spurlos verschwunden. Und selbst seine Eltern hatten keinen blassen Schimmer, wo er hin war.
Wie sich später herausstellte, hatte Julian ein paar Tage vor seinem spurlosen Verschwinden die Nacht im "Sucos de Brasil" verbracht - einer brasilianischen Kneipe, die schon mit Caipirinhas um sich warf, als es noch keine Lounge-Sampler gab. Julian hatte dort eine hübsche Brasilianerin nebst Freundin kennengelernt, ein bißschen mit den beiden rumgeflirtet, und dann mehr oder minder die Kontrolle verloren, weil er eigentich kein besonders trinkfester Zeitgenosse war. Am darauf folgenden Morgen fand er sich nackt in einem fremden Bett wieder. In einer fremden Wohnung. Allein. Eingesperrt. Am Kühlschrank klebte ein Post-It, mit dem Hinweis, er könne sich nach Lust und Laune stärken - die Damen seien auch gleich wieder zurück.
Das Kommado Caipirinha hielt den armen Julian ganze vier Tage als gefügigen Sex-Sklaven gefangen. Zumindest erzählte er das, als er kreidebleich und völlig ausgemergelt irgendwann wieder beim "schwulen Reinhard" auftauchte. Glauben musste man es ihm, denn Julian war weder ein Lügner, noch jemand, der gerne mit solchen Geschichten rumprahlte. Ganz im Gegenteil: Diesen völlig verwirrten "Wieso ich?"-Gesichtsausdruck werde ich wohl nie vergessen. Und ich wette, daß Julian bis heute nicht weiß, warum sowas ausgerechnet ihm passiert ist.
Es war eine schöne Zeit, mit Julian dem Womanizer, dort, bis 5 Uhr morgens in der Kneipe, mit pöbelnden Besoffenen, pöbelnden Teenies, pöbelnden Omas, einem pöbelnden Schwulen und einem Haufen verrücktgewordener Frauen, die jeden Abend damit verbrachten, Julian von der anderen Seite des Tresens aus anzuschmachten. Das Alter spielte da keine Rolle. Ob 14 oder 40, er zog sie alle ungewollt in seinen Bann, und irgendwie empfand ich seine Ignoranz gegenüber diesen Dingen als äusserst erfrischend. Nicht, das ihm Frauen egal gewesen wären, aber seine Anziehungskraft war ihm auch nie wirklich bewusst - und das machte den Vorort-Depp zu einem wirklich angenehmen Zeitgenossen.
Wie anziehend Julian auf Frauen wirken konnte, bemerkte er selbst erst in jener Woche, als er spurlos verschwand. Ich kann mich noch genau an die entsetzte Stimme seiner damaligen Freundin erinnern, die sich bitterlich darüber beklagte, daß Julian sich seit ganzen vier Tagen nicht mehr bei ihr gemeldet hätte, und dann panisch wurde, als ich ihr sagte, daß er auch nicht zur Arbeit aufgetaucht sei. Julian war spurlos verschwunden. Und selbst seine Eltern hatten keinen blassen Schimmer, wo er hin war.
Wie sich später herausstellte, hatte Julian ein paar Tage vor seinem spurlosen Verschwinden die Nacht im "Sucos de Brasil" verbracht - einer brasilianischen Kneipe, die schon mit Caipirinhas um sich warf, als es noch keine Lounge-Sampler gab. Julian hatte dort eine hübsche Brasilianerin nebst Freundin kennengelernt, ein bißschen mit den beiden rumgeflirtet, und dann mehr oder minder die Kontrolle verloren, weil er eigentich kein besonders trinkfester Zeitgenosse war. Am darauf folgenden Morgen fand er sich nackt in einem fremden Bett wieder. In einer fremden Wohnung. Allein. Eingesperrt. Am Kühlschrank klebte ein Post-It, mit dem Hinweis, er könne sich nach Lust und Laune stärken - die Damen seien auch gleich wieder zurück.
Das Kommado Caipirinha hielt den armen Julian ganze vier Tage als gefügigen Sex-Sklaven gefangen. Zumindest erzählte er das, als er kreidebleich und völlig ausgemergelt irgendwann wieder beim "schwulen Reinhard" auftauchte. Glauben musste man es ihm, denn Julian war weder ein Lügner, noch jemand, der gerne mit solchen Geschichten rumprahlte. Ganz im Gegenteil: Diesen völlig verwirrten "Wieso ich?"-Gesichtsausdruck werde ich wohl nie vergessen. Und ich wette, daß Julian bis heute nicht weiß, warum sowas ausgerechnet ihm passiert ist.
Herr shhhh
am Mittwoch, 22. September 2004, 10:59
scheinwerfer kommentierte am 22. Sep, 12:57:
gab er dann...
dem werben des schwulen reinhards nach?
shhhh entgegnete am 22. Sep, 13:00:
Nein,
aber der schwule Reinhard schlug mal vor, Julian und mich für vier Tage in die Küche zu sperren.
scheinwerfer entgegnete am 22. Sep, 17:20:
hätten sie sich darauf eingelassen?
immerhin klang aus ihrem bericht etwas wie bewunderung fr julian durch.
shhhh entgegnete am 22. Sep, 17:24:
Nein, ich bin
durch und durch Heterosexuell. Aber die Bewunderung für diesen Julian lag ja auch eher an dieser absoluten Naivität, die der Kerl an sich hatte. Als Kumpel war der super.Ich laß mich doch nicht von jemandem für Sex in die Küche sperren? Was denken Sie denn von mir???
scheinwerfer entgegnete am 22. Sep, 17:25:
ich habe nichts gegen sex in der küche...
nur die frau muss stimmen
shhhh entgegnete am 22. Sep, 17:29:
Ich hab Frau E.,
die stimmt immer.
Desideria kommentierte am 22. Sep, 13:53:
Im "Sucos de Brasil" ...
hatten sie auch mal eine zeitlang auf den Toiletten Spiegel an der Decke (eigentlich, um Drogenmissbrauch zu verhindern) bis das Ordnungsamt da "einen Riegel davorschob" ... gefährliches Pflaster!
shhhh entgegnete am 22. Sep, 14:00:
Anfang der 90er
war das aber noch nicht so schlimm da...
Desideria entgegnete am 22. Sep, 14:39:
ähem ...
das war Anfang der 90er ...
shhhh entgegnete am 22. Sep, 14:42:
Huch,
naja, das war ja auch nicht mein Laden, sondern Julians. Wir waren eher Poco Loco und Ohme Jupp.
Desideria entgegnete am 22. Sep, 14:45:
Als das Poco Loco ...
noch Atlantico hiess (und ich mein Geld damit verdiente...)
shhhh entgegnete am 22. Sep, 14:48:
Nochmal Huch,
stimmt, das hieß ja anders früher. Ich kann mich auch noch gut dran erinnern, daß die Jungs in meinem Alter damals immer die Tour "Frankies" und danach "Kneipe" gemacht haben. Das "Frankies" fand ich immer doof, aber man konnte da prima Billard spielen...
Desideria entgegnete am 22. Sep, 14:55:
War ne nette Zeit ...
da hamse mich jetzt aba dazu angespornt, auch mal in der Kiste mit den alten Geschichten zu wühlen...
shhhh entgegnete am 22. Sep, 14:58:
Wissen Sie, was mir gerade auf der Zunge liegt,
aber zum verrecken nicht mehr einfällt? Wie hieß denn nochmal die Pizzabude da beim MacDonalds an der HH, wo es immer die Pizza für 4 Mark gab? Die war da an der Ecke...
Desideria entgegnete am 22. Sep, 15:01:
Hühner Hugo ?
shhhh entgegnete am 22. Sep, 15:03:
Gegenüber vom Hühner Hugo.
Andere Ecke. Aber jetzt habbichs wieder: LUPO!
Desideria entgegnete am 22. Sep, 15:05:
Stimmt ...
Lupo ...Sindse eigentlich auch immer Heiligabendmittag auf der Ratinger beim Ohme Jupp? mit den Tausend anderen??
shhhh entgegnete am 22. Sep, 15:08:
Ne, nie gewesen,
da Heiligabend immer in Gerresheim, auf'm Marktplatz gewesen und danach ins Bogarts. Wegen der "Roots", wie man auf Neudeutsch so schön sagt.
Desideria entgegnete am 22. Sep, 15:13:
So hat jeder ...
seine Weihnachtsrituale:Ratinger Straße - Mama/Papa - falls noch lebendig - Ratinger Hof ...
shhhh entgegnete am 22. Sep, 15:19:
Hof.
Jaja. War auch mal mein Pflaster.