guck mal, die Nachbarn sind wieder am züchten, doo!
(Drittes Foto von oben. Dank an Herrn Mattina und Frau Blasebalch.)
(Drittes Foto von oben. Dank an Herrn Mattina und Frau Blasebalch.)
Herr shhhh
am Freitag, 27. August 2004, 15:26
Wenn ich irgendwo von einem dieser Pseudo-Musikschreiberlinge noch mal lesen muß, daß die neue Soulwax-Platte unhörbarer Schrott sei, laufe ich Amok. Nur weil jemand den Mut hat, Popstrukturen aufzubrechen, nicht konformistisch klingen will und eben keine Formatmusik mit Gitarre und Bass macht (und nebenher eben immer wieder überrascht!), sich dann aber Rockband nennt - und das zurecht - heißt das noch lange nicht, daß man sowas grundsätzlich niederschreiben muß. "Any Minute Now" ist eine starke, mutig, und andere Platte. Basta!
Herr shhhh
am Freitag, 27. August 2004, 13:54
Ein Selbstversuch: Die Erlebnisse einer fast gescheiterten Deutschpopband, die ein halbes Jahr weder gespielt, noch geprobt, zwischenzeitlich den Drummer verloren, und gestern Abend erfahren hat, daß sie übermorgen Abend als Gewinner eines Talentwettbewerbes auf einem Stadtfest im tiefsten Sauerland spielt.
Kapitel 2. Donnerstag, 26.8.
Wenn das nicht klappt, hör ich mit dem Musikmachen auf. Oder ich gründe eine Coverband. Das ist schlimmer als aufhören!
- Leider keine Fotos, Kamera vergessen! -
8.15 Uhr
Ich höre ein Rumpeln in meinem Badezimmer, schrecke auf, beschliesse dann aber doch noch liegenzubleiben, weil selbst das lauteste Rumpeln kein Grund ist, nach 3 Stunden Schlaf wieder aufzustehen.
8.45 Uhr
Das Rumpeln entpuppt sich als Kollege Sportraucher, der seinen zugewiesenen Schlafplatz wohl schon früher verlassen hatte, und völlig frisch in meinem Wohnzimmer sitzt, um Olympia zu gucken. Daß mir das als Morgenmuffel natürlich komisch vorkommt, kann er nicht wissen, aber wir wohnen ja auch nicht zusammen.
9.08 Uhr
Ich erreiche - mit Keyboardständer, meinem Lieblingssynthesizer und dem Multitrackrekorder im Schlepptau - das Büro. Die Equipmentschlepperei müssten eigentlich längst andere machen, aber in Zeiten einer kollabierenden Musikindustrie, die Hits wie "Dragostea Din Tei" gleich doppelt und dreifach rausbringt, darf man sowas nicht mehr erwarten. Ganz im Gegenteil: Ich bin mir sicher, daß im Tonstudio generierte Projekte wie Haitschi! (oder wie auch immer die heissen) gar nichts an Equipment haben, was transportiert werden müsste. CD mit dem Playback, und fertig. Sowas sollten wir auch mal machen...
9.46 Uhr
Erste Google-Recherchen liefern faszinierende Fakten zu unserem "Erfolg". Schmallenberg ist eine kleine Stadt im Sauerland. Die Schmallenberger-Woche, so der Name des Stadtfestes, findet von Mittwoch bis Sonntag statt. In diesem Rahmen treten auch die Sieger des WDR-Talentwettbewerbes auf, am Samstag, um 18 Uhr. Auf der gleichen Bühne, auf der auch der legendäre Tom Astor nebst Band kaum drei Stunden später die Massen begeistern wird. Und: Der aAuftritt auf der Bühne ist eigentlich der Hauptgewinn. Zwar schreibt der WDR auf seiner Homepage irgendwas von "weiteren Preisen", aber wenn ich darüber nachdenke, will ich eigentlich gar nicht wissen, was die weiteren Preise sein könnten.
10.15 Uhr
Mein Büro-Itunes nudelt unentwegt unsere Setlist runter. Ich kann und will mich gerade gar nicht auf die Arbeit konzentrieren. Und in gewisser Weise bin ich da auch neidisch auf die Kollegen Sportsänger und Bassist, die jetzt zu Hause im Bettchen liegen und brav schlummern. Aber was soll's. Stundenten halt. Die dürfen das.
13 Uhr
Anruf vom WDR. Man gibt mir die Kontaktdaten für den technischen Verantwortlichen durch. Dem muß ich unseren Rider schicken. Für alle Nichtmusiker: Ein Rider ist eine lose Blattsammlung, auf der genau steht, was wir vorzufinden haben, wenn wir die Bühne betreten. Also im technischen Sinne. Monitorboxen, wieviel Kabel gehen von uns in das Mischpult wieviel kommen zurück, etc. Da wir ja letztes Jahr fast den Durchbruch hatten, sieht unser Rider natürlich voluminös aus. Viel zu voluminös für Schmalleberg. So voluminös, daß wir neben den technischen Angaben auch einen kulinarischen Rider mit genauer Auflistung unserer Ess- und Trinkgewohnheiten haben. Und einen Stageplot, also eine Anleitung, wo was auf der Bühne zu stehen hat. Natürlich war da noch überall unser Drummer vermerkt, und den aus allen angaben rauszukürzen, hat zur Folge, daß wir plötzlich nur noch 2 statt 3 Blätter mit Angaben benötigen. Das Ding sieht dennoch viel zu überzogen aus, und während ich die Zettel nach Schmallenberg faxe, frage ich mich, was der Veranstalter wohl denken wird, wenn eine "Nachwuchsband" 6 Flaschen Evian, ausreichen Bier, Buffett und einem Metallica-Konzert Konkurrenz machende Technik fordert.
13.30 Uhr
Die Schmallenberger Online-Presse wird auf uns aufmerksam. Unterdessen wird auch eine andere, bekannte Online-Publikation auf die Freakshow aufmerksam, was zusätzliche Nervosität mit sich bringt. Dazu aber nächste Woche mehr.
15 Uhr
ich werde nervös. In knapp 3 Stunden beginnt die Probe, und ich hab keinerlei Ahnung, was ich zu meinen eigenen Songs spielen soll. Klar, das Viertel-Playback auf dem Multitrackrekorder macht die Sache für mich bequem, denn eigentlich müsste ich nichts mehr spielen, aber nur gelangweilt rumstehen ist ja dann auch eher Haiduci als Elektropop. In einem Anfall von Panik packe ich mitten im Büro den Synthesizer aus, und fange an, auf wahllossen Zetteln Sounds zu notieren, die ich live benutzen könnte. Das ist harte Konzentrationsarbeit, die ich eigentlich in den Proben machen müsste, aber wenn man eben ein halbes Jahr lang nicht mehr geprobt hat, und dann nur noch zwei Tage Zeit hat, 10 Songs einzuüben, wird's ein wenig knapp.
16.07
Ich breche nach dem dritten Song ab. Zum einen, weil der Durchgangsverkehr hier im Büro einfach zu groß ist, und ich mir ein wenig dämlich vorkomme. Zum anderen, weil ich aus anderen Gründen völlig unkonzentriert bin, und diese erstmal für mich klären will (keine intimen Details hier).
17.17 Uhr
Herr Sportraucher und Herr Bassist tauchen auf. Der Wagen wir vollgepackt, und so bedauerlich es auch ist, keinen Drummer mehr zu haben, so entspannend ist es auch, zu sehen, daß man plötzlich mit einem Auto auskommt, um das ganze Equipment nebst Band und Bierkasten durch die Gegend zu fahren. Als wir letztes Jahr die kleine Tour hatten, waren grundsätzlich entweder mindestens zwei Autos oder ein Großraumtransporter von Nöten, und in Anbetracht der geringen Gagen, die man heute bekommt, mussten wir eigentlich immer draufzahlen, wenn's um benzin oder Automiete ging. Zumal: Mit einem nagelneuen, bei einem meiner Kunden geliehenen Chrysler Voyager inkl. elektrischer Türen und abgedunkelter Fenster in einer der schlimmsten Ecken Düsseldorfs rumzugondeln - letztes Jahr - hatte ebenfalls soviel Rockappeal wie Haiducevapcic.
17.47 Uhr
Das Leben ist nicht leicht, wenn man einen vergesslichen Bassisten hat. Im schlimmsten Falle muß man multiple Fahrten in selbe Richtungen in Kauf nehmen. Wegen vergessener Mikrofonklemmen. Aber was soll's! Es siite in schönes Gefühl, wieder als "Band" im Auto unterwegs zu sein - nach so langer Zeit. Ich erzähle von meinen Google-Recherchen, und das ich mittlerweile auch weiß, wer die anderen zwei Bands sind. Bemerkenswerterweise ist die Auswahl der Jury mal wieder mehr als fragwürdig. Das ist so eine Sache, die uns letztes Jahr immer wieder passiert ist: Mit Bands, zu denen wir gar nicht passen, auf eine Bühne gestellt zu werden. Die beiden Mitbewerber kommen aus dem Rockumfeld, und haben Frontfrauen, die sich sehr ähnlich klingen. Was Herrn Sportraucher, der ja erklärter Single ist, natürlich ein Lächeln auf die Lippen zaubert, mir wiederum ein wenig zu denken gibt. Im Sinne von: Da stehen zwei Bands auf der Bühne, die für meinen Geschmack sehr, sehr gleich klingen. So eine mischung aus Die Happy und Die Happy. Und dann wir, als die deutschsprachigen Pet Shop Boys in laut, mittendrin. Kann das funktionieren?
Ich erzähle vom "Überraschungsgewinn", und bei den anderen Herren bricht Panik aus. "Jetzt stell Dir vor, die sagen: 'Hey, ihr habt zwei Wochen Studioaufenthalt bei einem legendären Produzenten in Leverkusen gewonnen. Der hat sogar mal Kraftwerk produziert'!!!"...
(Hintergrund: Besagter Produzent sollte letztes Jahr unsere Debüt-Single produzieren. Die Sache ging jedoch dermassen daneben, daß das Label dann eine relativ hohe Rechnung auf unsere Kosten hatte, und wir nicht wie wir, sondern wir Haiduci... nein, wie Klaus Lage klangen. Ein Debakel, daß letztendlich zu unserem Labelrausschmiss führte.)
"Dann würd ich mit dem Musikmachen auf der Stelle aufhören!", entgegne ich. "Und ich mach ne Coverband auf. Das ist schlimmer als aufhören!" unkt Herr Bassist. In einem Roman würde jetzt sowas stehen wie: Und wir lachten.
Und wir lachten!
19 Uhr
Den neuen Proberaum eingeweiht, die ersten drei nagelneuen Songs sitzen perfekt, darunter ist einer, den wir gleich mehrmals spielen wollten, weil er einfach Spaß machte. Herr Bassist singt zum ersten mal Backingvocals mit, auch ich bin wesentlich unverkrampfter. Herr Sportraucher, der sich sonst hinter seiner Gitarre versteckt, wenn er singt, geht aus sich raus, da bei einigen Nummern keine Gitarre gebraucht wird. Es rockt. Wie sau. Wir kommen erstaunlich schnell voran, fast schon zu schnell. Da muß irgendwo ein Haken sein. Kein erkennbarer, aber das hier ist alles zu perfekt und zu rund.
20.30 Uhr
Erst jetzt merken wir, daß wir gerade 8 neue Songs OHNE DRUMMER gespielt haben, und das es keinem von uns aufgefallen ist. Meine zusammengezimmerten Drumbackings machen sich gut, ich selbst bin seit langem mal wieder stolz auf meine Arbeit, da in diesem reduzierten Kontext meine Elektronik endlich das ist, was sie immer sein sollte, aber live nie sein konnte: Das Hauptmerkmal unserer Musik. Ein paar Nummer entpuppen sich als absolute Mit- und Abgeher, von denen man nicht genug bekommt, unter anderem das gerade mal ein paar Tage alte "Das letzte Deiner Art - Sprengkommando Dieter Bohlen", welches in musikalischer Hinsicht eine Hommage an die frühen "Der Plan"-Sachen ist. Allerdings weiss nur ich das, denn Herr Sportaraucher und Herr Bassist sind ja keine Elektroniker.
23.00 Uhr
Die erste Probe ist durch. Wir sind rundum zufrieden. Es gibt noch ein paar kosmetische Korrekturen in den Backings, die ich mache, während Herr Sportraucher wieder auf dem Sofa nächtigt und Herr Bassist die Siegener Gastronomie unsicher macht. Gegen 1.30 Uhr gehe ich zufrieden aber völlig geschafft ins Bett, und freue mich - soweit ich das in Anbetracht der anderen, hier nicht erwähnten Sorgen, die unentwegt durch meinen Kopf schwirren, noch kann - auf den morgigen Tag, die morgige Probe, und den Gig. Aber generell ist es so, daß die nächste Probe nur schlecht werden kann, denn das ist bei so einem gelungenen Einstand immer so. Vielleicht der Haken, den wir die ganze Zeit suchen.
Kapitel 2. Donnerstag, 26.8.
Wenn das nicht klappt, hör ich mit dem Musikmachen auf. Oder ich gründe eine Coverband. Das ist schlimmer als aufhören!
- Leider keine Fotos, Kamera vergessen! -
8.15 Uhr
Ich höre ein Rumpeln in meinem Badezimmer, schrecke auf, beschliesse dann aber doch noch liegenzubleiben, weil selbst das lauteste Rumpeln kein Grund ist, nach 3 Stunden Schlaf wieder aufzustehen.
8.45 Uhr
Das Rumpeln entpuppt sich als Kollege Sportraucher, der seinen zugewiesenen Schlafplatz wohl schon früher verlassen hatte, und völlig frisch in meinem Wohnzimmer sitzt, um Olympia zu gucken. Daß mir das als Morgenmuffel natürlich komisch vorkommt, kann er nicht wissen, aber wir wohnen ja auch nicht zusammen.
9.08 Uhr
Ich erreiche - mit Keyboardständer, meinem Lieblingssynthesizer und dem Multitrackrekorder im Schlepptau - das Büro. Die Equipmentschlepperei müssten eigentlich längst andere machen, aber in Zeiten einer kollabierenden Musikindustrie, die Hits wie "Dragostea Din Tei" gleich doppelt und dreifach rausbringt, darf man sowas nicht mehr erwarten. Ganz im Gegenteil: Ich bin mir sicher, daß im Tonstudio generierte Projekte wie Haitschi! (oder wie auch immer die heissen) gar nichts an Equipment haben, was transportiert werden müsste. CD mit dem Playback, und fertig. Sowas sollten wir auch mal machen...
9.46 Uhr
Erste Google-Recherchen liefern faszinierende Fakten zu unserem "Erfolg". Schmallenberg ist eine kleine Stadt im Sauerland. Die Schmallenberger-Woche, so der Name des Stadtfestes, findet von Mittwoch bis Sonntag statt. In diesem Rahmen treten auch die Sieger des WDR-Talentwettbewerbes auf, am Samstag, um 18 Uhr. Auf der gleichen Bühne, auf der auch der legendäre Tom Astor nebst Band kaum drei Stunden später die Massen begeistern wird. Und: Der aAuftritt auf der Bühne ist eigentlich der Hauptgewinn. Zwar schreibt der WDR auf seiner Homepage irgendwas von "weiteren Preisen", aber wenn ich darüber nachdenke, will ich eigentlich gar nicht wissen, was die weiteren Preise sein könnten.
10.15 Uhr
Mein Büro-Itunes nudelt unentwegt unsere Setlist runter. Ich kann und will mich gerade gar nicht auf die Arbeit konzentrieren. Und in gewisser Weise bin ich da auch neidisch auf die Kollegen Sportsänger und Bassist, die jetzt zu Hause im Bettchen liegen und brav schlummern. Aber was soll's. Stundenten halt. Die dürfen das.
13 Uhr
Anruf vom WDR. Man gibt mir die Kontaktdaten für den technischen Verantwortlichen durch. Dem muß ich unseren Rider schicken. Für alle Nichtmusiker: Ein Rider ist eine lose Blattsammlung, auf der genau steht, was wir vorzufinden haben, wenn wir die Bühne betreten. Also im technischen Sinne. Monitorboxen, wieviel Kabel gehen von uns in das Mischpult wieviel kommen zurück, etc. Da wir ja letztes Jahr fast den Durchbruch hatten, sieht unser Rider natürlich voluminös aus. Viel zu voluminös für Schmalleberg. So voluminös, daß wir neben den technischen Angaben auch einen kulinarischen Rider mit genauer Auflistung unserer Ess- und Trinkgewohnheiten haben. Und einen Stageplot, also eine Anleitung, wo was auf der Bühne zu stehen hat. Natürlich war da noch überall unser Drummer vermerkt, und den aus allen angaben rauszukürzen, hat zur Folge, daß wir plötzlich nur noch 2 statt 3 Blätter mit Angaben benötigen. Das Ding sieht dennoch viel zu überzogen aus, und während ich die Zettel nach Schmallenberg faxe, frage ich mich, was der Veranstalter wohl denken wird, wenn eine "Nachwuchsband" 6 Flaschen Evian, ausreichen Bier, Buffett und einem Metallica-Konzert Konkurrenz machende Technik fordert.
13.30 Uhr
Die Schmallenberger Online-Presse wird auf uns aufmerksam. Unterdessen wird auch eine andere, bekannte Online-Publikation auf die Freakshow aufmerksam, was zusätzliche Nervosität mit sich bringt. Dazu aber nächste Woche mehr.
15 Uhr
ich werde nervös. In knapp 3 Stunden beginnt die Probe, und ich hab keinerlei Ahnung, was ich zu meinen eigenen Songs spielen soll. Klar, das Viertel-Playback auf dem Multitrackrekorder macht die Sache für mich bequem, denn eigentlich müsste ich nichts mehr spielen, aber nur gelangweilt rumstehen ist ja dann auch eher Haiduci als Elektropop. In einem Anfall von Panik packe ich mitten im Büro den Synthesizer aus, und fange an, auf wahllossen Zetteln Sounds zu notieren, die ich live benutzen könnte. Das ist harte Konzentrationsarbeit, die ich eigentlich in den Proben machen müsste, aber wenn man eben ein halbes Jahr lang nicht mehr geprobt hat, und dann nur noch zwei Tage Zeit hat, 10 Songs einzuüben, wird's ein wenig knapp.
16.07
Ich breche nach dem dritten Song ab. Zum einen, weil der Durchgangsverkehr hier im Büro einfach zu groß ist, und ich mir ein wenig dämlich vorkomme. Zum anderen, weil ich aus anderen Gründen völlig unkonzentriert bin, und diese erstmal für mich klären will (keine intimen Details hier).
17.17 Uhr
Herr Sportraucher und Herr Bassist tauchen auf. Der Wagen wir vollgepackt, und so bedauerlich es auch ist, keinen Drummer mehr zu haben, so entspannend ist es auch, zu sehen, daß man plötzlich mit einem Auto auskommt, um das ganze Equipment nebst Band und Bierkasten durch die Gegend zu fahren. Als wir letztes Jahr die kleine Tour hatten, waren grundsätzlich entweder mindestens zwei Autos oder ein Großraumtransporter von Nöten, und in Anbetracht der geringen Gagen, die man heute bekommt, mussten wir eigentlich immer draufzahlen, wenn's um benzin oder Automiete ging. Zumal: Mit einem nagelneuen, bei einem meiner Kunden geliehenen Chrysler Voyager inkl. elektrischer Türen und abgedunkelter Fenster in einer der schlimmsten Ecken Düsseldorfs rumzugondeln - letztes Jahr - hatte ebenfalls soviel Rockappeal wie Haiducevapcic.
17.47 Uhr
Das Leben ist nicht leicht, wenn man einen vergesslichen Bassisten hat. Im schlimmsten Falle muß man multiple Fahrten in selbe Richtungen in Kauf nehmen. Wegen vergessener Mikrofonklemmen. Aber was soll's! Es siite in schönes Gefühl, wieder als "Band" im Auto unterwegs zu sein - nach so langer Zeit. Ich erzähle von meinen Google-Recherchen, und das ich mittlerweile auch weiß, wer die anderen zwei Bands sind. Bemerkenswerterweise ist die Auswahl der Jury mal wieder mehr als fragwürdig. Das ist so eine Sache, die uns letztes Jahr immer wieder passiert ist: Mit Bands, zu denen wir gar nicht passen, auf eine Bühne gestellt zu werden. Die beiden Mitbewerber kommen aus dem Rockumfeld, und haben Frontfrauen, die sich sehr ähnlich klingen. Was Herrn Sportraucher, der ja erklärter Single ist, natürlich ein Lächeln auf die Lippen zaubert, mir wiederum ein wenig zu denken gibt. Im Sinne von: Da stehen zwei Bands auf der Bühne, die für meinen Geschmack sehr, sehr gleich klingen. So eine mischung aus Die Happy und Die Happy. Und dann wir, als die deutschsprachigen Pet Shop Boys in laut, mittendrin. Kann das funktionieren?
Ich erzähle vom "Überraschungsgewinn", und bei den anderen Herren bricht Panik aus. "Jetzt stell Dir vor, die sagen: 'Hey, ihr habt zwei Wochen Studioaufenthalt bei einem legendären Produzenten in Leverkusen gewonnen. Der hat sogar mal Kraftwerk produziert'!!!"...
(Hintergrund: Besagter Produzent sollte letztes Jahr unsere Debüt-Single produzieren. Die Sache ging jedoch dermassen daneben, daß das Label dann eine relativ hohe Rechnung auf unsere Kosten hatte, und wir nicht wie wir, sondern wir Haiduci... nein, wie Klaus Lage klangen. Ein Debakel, daß letztendlich zu unserem Labelrausschmiss führte.)
"Dann würd ich mit dem Musikmachen auf der Stelle aufhören!", entgegne ich. "Und ich mach ne Coverband auf. Das ist schlimmer als aufhören!" unkt Herr Bassist. In einem Roman würde jetzt sowas stehen wie: Und wir lachten.
Und wir lachten!
19 Uhr
Den neuen Proberaum eingeweiht, die ersten drei nagelneuen Songs sitzen perfekt, darunter ist einer, den wir gleich mehrmals spielen wollten, weil er einfach Spaß machte. Herr Bassist singt zum ersten mal Backingvocals mit, auch ich bin wesentlich unverkrampfter. Herr Sportraucher, der sich sonst hinter seiner Gitarre versteckt, wenn er singt, geht aus sich raus, da bei einigen Nummern keine Gitarre gebraucht wird. Es rockt. Wie sau. Wir kommen erstaunlich schnell voran, fast schon zu schnell. Da muß irgendwo ein Haken sein. Kein erkennbarer, aber das hier ist alles zu perfekt und zu rund.
20.30 Uhr
Erst jetzt merken wir, daß wir gerade 8 neue Songs OHNE DRUMMER gespielt haben, und das es keinem von uns aufgefallen ist. Meine zusammengezimmerten Drumbackings machen sich gut, ich selbst bin seit langem mal wieder stolz auf meine Arbeit, da in diesem reduzierten Kontext meine Elektronik endlich das ist, was sie immer sein sollte, aber live nie sein konnte: Das Hauptmerkmal unserer Musik. Ein paar Nummer entpuppen sich als absolute Mit- und Abgeher, von denen man nicht genug bekommt, unter anderem das gerade mal ein paar Tage alte "Das letzte Deiner Art - Sprengkommando Dieter Bohlen", welches in musikalischer Hinsicht eine Hommage an die frühen "Der Plan"-Sachen ist. Allerdings weiss nur ich das, denn Herr Sportaraucher und Herr Bassist sind ja keine Elektroniker.
23.00 Uhr
Die erste Probe ist durch. Wir sind rundum zufrieden. Es gibt noch ein paar kosmetische Korrekturen in den Backings, die ich mache, während Herr Sportraucher wieder auf dem Sofa nächtigt und Herr Bassist die Siegener Gastronomie unsicher macht. Gegen 1.30 Uhr gehe ich zufrieden aber völlig geschafft ins Bett, und freue mich - soweit ich das in Anbetracht der anderen, hier nicht erwähnten Sorgen, die unentwegt durch meinen Kopf schwirren, noch kann - auf den morgigen Tag, die morgige Probe, und den Gig. Aber generell ist es so, daß die nächste Probe nur schlecht werden kann, denn das ist bei so einem gelungenen Einstand immer so. Vielleicht der Haken, den wir die ganze Zeit suchen.
Herr shhhh
am Freitag, 27. August 2004, 11:13 - Rubrik: Bandtagebuch.
"Nothing takes the taste
out of peanut butter quite
like unrequited LOVE."
- Charlie Brown
Herr shhhh
am Freitag, 27. August 2004, 09:32