In Wahrheit bin ich ein Lügner.

Nix für zarte Gemüter: Deutsche HipHopper knutschen 14jährige Mädchen., und packen denen am Popo und am Busen. Der Typ in weiß ist dieser Sido(lin), der sonst immer böse mit einer albernen Totenkopf-Maske durch die Musiksender hiphoppt und von "Mein Blog" rappt, oder wie das da heißt. Find' ich nicht gut, sowas. Früher hätt's das nich gegeben, sonne Sauerei.

sah ich am Mittwoch in Siegen.

Jetzt, in dieser so aufreibenden Zeit der langen Tage und lauen Nächte voller paarungswilliger Insekten, paarungswilliger Tauben und paarungswilliger Kleinstädter verläßt auch der Einwohner Siegens gerne mal seine Behausung. Vorzugsweise Mittwochs. Um sich zu treffen. Das ganze Spektakel nennt sich “Mittwochs in Siegen”, und war vor unzähligen Jahren mal ein Vorwand für eine kleine Konzertreihe voller nichtssagender Cover-Bands, die Songs von Bands coverten die man entweder bis zum erbrechen, oder gar nicht kannte. Sowohl die Songs, als auch die Bands.

Die Coverbands gibt es immer noch, aber das ist Sekundär, denn der eigentliche Grund für knapp 9000 Menschen, einen kleinen auf einem steilen Berg gelegenen Platz aufzusuchen, der ausser einem dem Wäscheständer meiner Mutter ähnelnden Brunnen und ein paar lieblos aufeinandergereihten Steinblöcken nebst anliegendem Rathausetablissement nichts besonderes zu bieten hat, ist das Treffen an sich. Für die eine Hälfte. Für die andere Hälfte ist der Grund schlicht und ergreifend Bier. Weil das wohl draussen einfach besser schmeckt. Mir schmeckt Bier überall gleich gut, aber das tut hier nichts zur Sache.

Und so wagten denn auch diesen Mittwoch wieder knapp 9000 überwiegend junge Menschen den Weg auf den Berg, blockierten die schlecht subventionierten und von der Stadtpolitik völlig ignorierten Reste der Siegener Altstadt, und gaben vor, einer Siegener Beatles-Coverband lauschen zu wollen, die dann auch 3 Stunden lang alles coverte, was die Beatles jemals gemacht haben. Gar nicht mal so schlecht machten die das, aber wer will schon was hören, wenn es so viel zu sehen gibt?

Mittendrin ein beziehungsgeplagter Herr Sportraucher, ein beziehungsgeplagter Herr Bassist (nebst wechselnd auftretender Bassisten-Exfreundinnen), ein paar Menschen die man kennt oder nicht so gut kennt, aber gut genug kennt, um mit ihnen anzustossen, meine Wenigkeit und meine liebste Frau Eriador, die aber arbeitsbedingt nicht zu gegen war, da sie in der anliegenden Gastronomie eine kleine Splittergruppe der 9000 Menschen bewirten musste, respektive auch davon abhalten musste, die gastronomieeigenen Mülltonnen vollzupissen. Der betrunkene Einwohner Siegens ist da übrigens nicht anders als die Einwohner anderer Städte: Wer pissen muß, pisst. Egal wohin. Vorzugsweise da hin, wo es besonders auffällig ist.

Der aufmerksame Leser wird sich jetzt fragen, wie es sein kann, daß 9000 Menschen einer Band lauschen dürfen, und das alles keinen Eintritt kostet. Normalerweise ist das richtig gedacht, denn überall, wo mehr als 50 Menschen zusammen kommen, um Spaß zu haben, ist mindestens einer dabei, der dafür Geld haben will. In Siegen sinkt die Mindestzahl an Eintrittzahluzngspflichtigen im Regelfall sogar auf 10.

Der Veranstalter, ein kleiner, windiger Mann mit Hund und nach eigenem Bekunden null Ahnung von Musik kam irgendwann mal auf die grandiose Idee, daß man den Eintritt über’s Bier nehmen könne. Will heißen: Der Einwohner der Stadt Siegen geht den Berg hinauf, um die angekündigte Band zu sehen, und den Platz und schlußendlich sich zu füllen. Weil der Berg so strapaziös ist, braucht der Einwohner der Stadt Siegen mindestens ein bis drei Bier. Die holt er sich an einem der zahlreichen, vom Veranstalter aufgestellten Bierrondelle. Dort gibt es relativ kostengünstig Bier, jedoch zahlt man eine fast unverschämte Summe für ein kleines häßliches Plastikbehältnis mit dem Aufdruck “Mittwochs in...”, das als Aufbewahrungsgefäß für das Bier dienen soll. Also kurzum: Der Eintrittspreis wird über den Becher berappt. Jetzt sind die Einwohner der Stadt Siegen aber auch eher sparsame Naturen, und so wundert es nicht, daß Mittwochs alle Supermärkte, respektive die Regale mit den Sixpacks völlig leergeräumt sind. Denn eigene Getränke darf man durchaus mitbringen und auch verzehren. Und da dass in der Summe günstiger und bequemer ist, als jedesmal den Becher zur Hand zu haben, machen das auch mindestens 3/4 der durstigen Einwohner Siegens. Die anderen stehen tatsächlich an einem der Rondelle, oder gar bei Frau Eriador am Tresen. Und der Veranstalter rennt während seiner Veranstaltung wütend durch die Reihen, und macht darauf aufmerksam, daß das Nicht-Wegräumen der ganzen Flaschen dazu führen könnte, daß es die Veranstaltung bald nicht mehr gibt. Das sagte er auch zu mir, woraufhin ich entgegnete, daß nun mal Spähne fallen, wenn irgendwo gehobelt wird, und dass das hier ja auch nicht gerade die Love Parade sei, und dass ich sowieso allerhöchstens eine einzige Flasche zurücklassen würde, weil Wein nun mal nicht so viel Dreck macht wie Bier. War ihm aber egal. Den Besuchern auch.

Und da wundert es auch nicht, daß Herr Bassist und Herr Sportraucher jeweils einen Rucksack voller selbstmitgebrachter Bierflaschen mit dabei haben, respektive meine Wenigkeit ganz Boheme die Flasche Bordeaux nebst Öffner und Becher in der Tasche mitschmuggelt. Was mich aber nicht davon abhält, dem Herrn Sportraucher und dem Herrn Bassisten ein paar Biere aus der Tasche zu mopsen. Anders, also ohne Alkohol, liesse sich diese papstlose Petersplatzatmosphöre auch gar nicht ertragen. Die fotografischen Impressionen sprechen für sich.

uli

So sehen Arbeitskollegen aus, die weder ins Internezz noch zu dieser Veranstaltung wollen.

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9000 Menschen waren's laut Veranstalter. Ich habe nicht ganz so viele gezählt, und ab einem gewissen Zeitpunkt auch nur doppelt. Im Vordergrund: Ein Jesus-Double.

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Es menschelt in Siegen. Wenn man bedenkt, daß dieser Platz unter der Woche ein Hort von Ruhe und Frieden ist, wirkt das hier eigentlich eher beängstigend. Gut zu sehen: Der Wäscheständer meiner Mutter, von den Siegenern auch liebevoll "Brunnen" genannt.

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Herr Sportraucher und Herr Bassist. Vielmehr die wichtigsten Teile davon. Nicht zu sehen, aber zu erahnen: Die Intimrasur der Beiden.

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Stichwort Schuhmode, liebe Frau Schnatterliese: Auch bei den modernen Siegener Mädchen ist die Sache mit den Gummistiefeln noch nicht angekommen. Man bevorzugt hier den klassischen Sneaker, was in Anbetracht der Wege, die man hier gehen muß, nicht wunderlich ist.

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Ich dachte zuerst, daß diese Dame ganz in weiß ein Brot spatzieren trüge, aber es war dann doch nur eine auf das helle Ensemble abgestimmte Tasche. Der Herr im Vordergrund hatte einen ansehnlichen Bierfleck auf dem Bauch, der aber auch Urin gewesen sein könnte.

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Nochmal Mode: Auch bei butterschmelzenden 27 Grad wagt der Siegener sich nur in dicken Strickpullis raus. Man weiß ja nie...


Gegen 22 Uhr hat der Spuk ein Ende. Nicht, weil die Band nicht mehr spielen will oder die Leute dann alle ins Bett müssen, sondern eher, weil die Band wegen irgendwelcher Auflagen nicht mehr spielen darf, und ein großteil der Siegener tatsächlich ins Bett will. Donnerstag ist ja Feiertag, da muß man fit sein. “Fit” ist ein Wort, von dem ich weiß wie es geschrieben wird. Mehr aber auch nicht. Herrn Sportraucher und Herrn Bassist geht’s da ähnlich, und deshalb beschliessen wir, mit den Wein- und Bierresten in den stadteigenen Schloßpark zu tapern, weil dort wohl junge Menschen aus irgendeinem Bekanntenkreis irgendeines Bekannten irgendeinen Abschluß zu feiern haben. Die großen Altersunterschiede vor Ort überbrückten wir mit Gesprächen über Intimrasuren bei Männern, respektive meinem Unverständnis gegenüber diesem Sachverhalt (“Wiiiie gezz, Du rasierst Dir am Sack auch?”) und hochroten Ohren seitens der vielen unter 20jährigen, die uns dort auf der Wiese am Schloß umgaben. Was die Herren Sportraucher und Bassist noch gemacht haben, weiß ich nicht, aber ich hab mich nach Hause aufgemacht, weil da jemand auf mich wartete, der den ganzen Abend mit besoffenen, pinkelnden Einwohnern der Stadt Siegen zu tun hatte. Und das war mir irgendwie wichtiger.

 

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