Ich war 14 und furchtbar nervös. Zumindest jedesmal, wenn ich sie sah. Ihr Name war Sophie, sie war mindestens 4 Jahre älter als ich, und sie war wunderschön. Schon damals wusste ich, daß das nie was werden konnte, und dennoch wagte ich den Schritt, mich "an sie ranzumachen". Soweit man diesen Terminus denn als 14jähriger überhaupt gezielt einsetzen kann.
Ich war furchtbar verliebt in sie, bekam jedesmal rote Ohren und das obligatorische flaue Gefühl im Magen wenn ich sie in der großen Pause sah. Gefühle, die man auch Jahre später noch hat, wenn man sich plötzlich dabie ertappt, unsterblich verliebt zu sein.
An Sophie ranzukommen war schwer. Sehr schwer. Schließlich stand sie ja in den Pausen bei den "großen", und da die Altergrenzen auf Schulhöfen unerbittlich hart gezogen sind, kostete es schon einiges an pubertärem Mut, sich einfach dazu zu stellen. Zu den Großen, zu den coolen. Und wenn man diesen Mut einmal aufbrachte, stellte man schnell fest, daß es nichts brachte. Ausser entrückten Blicken und einer undurchdringbaren Mauer aus Ignoranz. "Was will der Furzknoten hier bei uns?".
Also musste ich andere Register aufziehen. Frech und Respektlos sein, das waren damals Eigenschaften, die ich neben einer ausgeprägten Akne auf dem Rücken und einem Hang zu schrecklichen Frisuren mit mir rumtrug. Denn zu Hause war ich ja der brave Sohn, der kaum Widerworte gab, der ja Meßdiener und allein deshalb schon integer und höflich war. Aber auf dem Schulhof, in der Schule, da war ich anders. Umgedreht. Irgendwie. Eben frech und respektlos. Davon zeugen nicht zuletzt diverse Rügen und Tadel, sowie zwei Klassenkonferenzen in meinem schulischen Vorstrafenregister.
(Am Rande: Den letzten inoffiziellen Verweis bekam ich von meiner Stufenleiterin am letzten Schultag. Sie nahm mich zur Seite, und versuchte mir ins Gewissen zu reden: "Shhhh, jetzt, wo Du gehst, kannst Du's mir ja endlich sagen: Nimmst Du Drogen?" - "Frau T., wenn ich Sie noch einen Monat länger ertragen hätte, hätte ich damit angefangen...")
Und so verbrachte ich zahllose Pausen damit, Oberstufenschüler zu ärgen. Bei Ihren "coolen" Gesprächen zuzuhören. Gesprächsfetzen aufzuschnappen und zu verwerten, mich ungefragt in Gespräche einzumischen, und machmal auch ganz pubertär irgendwelche Verschmähungen in Richtung Oberstufe zu rufen. 25 Minuten lang. Nur um Sophie näher zu sein.
Der gewünschte Effekt, also das gewünschte Ziel, daß Sophie mich irgendwann küssen würde, blieb natürlich aus. Zumindest war da keine Chance, es auf diese Tour hinzubekommen, und dessen war ich mir natürlich nicht bewusst, denn ich war ja 14, und mit 14 denkt man höchst selten über die Konsequenzen seines Handelns nach. Die sind einem zu dem Zeitpunkt kaum bekannt.
Lebenserfahrung war nicht da. Und statt Sophies Liebe zu mir, erntete ich mehr und mehr Haß aus der Oberstufe. "Ach Du Scheiße, nicht der schon wieder!" war wohl der Satz, den ich in jener Zeit all zu oft hörte. Aber es war mir egal, denn ich wollte ja Sophie beeindrucken. Bis dann irgendwann der Tag kam, an dem die Oberstufenjungs die Schnauze voll hatten. Sich, kaum war ich einmal aufgertreten, zielstrebig in meine Richtung bewegten. Mich zu zweit packten, und wegschleppten. Ich hatte schon eine Vermutung wohin: Besonders nervige Zeitgenossen wurden gerne mal in den Abfallcontainer gesteckt. Ich war in dieser Situation chancenlos, doch wusste ich ja, was die Herren mit mir vorhatten, und so unterließ ich es auch nicht, mich trotz der "Verschleppung" weiter lustig zu machen, und in Sicherheit zu wähnen: "Ach herrje, jetzt kommt die alte Knotte mit dem Müllcontainer. MACHT RUHIG, DAS MACHT MIR NIX!!!", rief ich aus voller Kehle.
Was ich jedoch nicht bedachte: Die beiden Jungs, die mich im Schlepptau hatten, sowie der applaudierende und skandierende Oberstufenmop, der ihnen (und mir) folgte, bewegten sich gar nicht in Richtung Müllcontainer, sonder in Richtung Biogarten.
Der Biogarten war ein Projekt des Biologie-LKs aus der Oberstufe. Ein kleines Areal, in dem Pflanzen aufgezogen und Experimente gemacht wurden, und in dessen Mitte sich ein widerwärtiger kleiner Tümpel befand, mit Fischen und Algen und Fröschen und Schlamm und grünem Mist obendrauf. Ein Alptraum von einem Teich, irgendwo hinter dem Oberstufen-Neubau, irgendwo an der Straßenseite des Schulhofes.
Und als mir diese Tatsache bewusst wurde, wurde ich hysterisch. Richtig hysterisch. Ich kreischte mir die Kehle wund, schrie um Hilfe und irgendwas mit "NICHT IN DEN SCHEISSTEICH!", ich zappelte wie wild. Doch es half nichts. Und als der Troß vor dem Teich zum stehen kam, und mich die beiden Handlanger beherzt und bis 3 zählend in Richtung Teichufer schwangen, fing ich an zu weinen, zu flehen, zu bitten und zu betteln. Hysterisch. So als würde man mich umbringen. Und dabei war es doch nur Wasser...
"Eeeeeins...", "Zweeeeeeiiii...", "Dreeeeeiii..."
Ich wurde am Ufer abgelegt. Nicht hineingeschmissen. Glück gehabt. Ich lag erschöpft am Boden und weinte immer noch. Als stünde ich unter Schock. Es klingt heute lächerlich, aber damals hatte ich wirklich Angst. Richtige Angst.
Der Troß entfernte sich, und ich lag immer noch unzählige Minuten am Boden, schämte mich, schluchzte leise vor mich hin ob der ungerechten, aber gerechtfertigten Strafe. Und plötzlich spürte ich eine warme Hand auf meinem Rücken, und eine Mädchenstimme flüsterte "Shhhhhht! Die sind weg. Ist doch nichts passiert..."
Ich war Sophie nie so nah wie zu jenem Zeitpunkt, als ich am Boden lag. Ganz unten. Und wenn ich heute rückblickend darüber nachdenke, zieht sich der sich daraus ergebende Sachverhalt wie ein roter Faden durch meine Beziehungsvita.
Denn immer wenn ich der Meinung bin, ich sei ganz unten, am Boden (und das völlig unbegründet), taucht plötzlich eine wärmende Hand auf, die mich tröstet und mir sagt, daß alles doch gar nicht so schlimm ist...
Ich war furchtbar verliebt in sie, bekam jedesmal rote Ohren und das obligatorische flaue Gefühl im Magen wenn ich sie in der großen Pause sah. Gefühle, die man auch Jahre später noch hat, wenn man sich plötzlich dabie ertappt, unsterblich verliebt zu sein.
An Sophie ranzukommen war schwer. Sehr schwer. Schließlich stand sie ja in den Pausen bei den "großen", und da die Altergrenzen auf Schulhöfen unerbittlich hart gezogen sind, kostete es schon einiges an pubertärem Mut, sich einfach dazu zu stellen. Zu den Großen, zu den coolen. Und wenn man diesen Mut einmal aufbrachte, stellte man schnell fest, daß es nichts brachte. Ausser entrückten Blicken und einer undurchdringbaren Mauer aus Ignoranz. "Was will der Furzknoten hier bei uns?".
Also musste ich andere Register aufziehen. Frech und Respektlos sein, das waren damals Eigenschaften, die ich neben einer ausgeprägten Akne auf dem Rücken und einem Hang zu schrecklichen Frisuren mit mir rumtrug. Denn zu Hause war ich ja der brave Sohn, der kaum Widerworte gab, der ja Meßdiener und allein deshalb schon integer und höflich war. Aber auf dem Schulhof, in der Schule, da war ich anders. Umgedreht. Irgendwie. Eben frech und respektlos. Davon zeugen nicht zuletzt diverse Rügen und Tadel, sowie zwei Klassenkonferenzen in meinem schulischen Vorstrafenregister.
(Am Rande: Den letzten inoffiziellen Verweis bekam ich von meiner Stufenleiterin am letzten Schultag. Sie nahm mich zur Seite, und versuchte mir ins Gewissen zu reden: "Shhhh, jetzt, wo Du gehst, kannst Du's mir ja endlich sagen: Nimmst Du Drogen?" - "Frau T., wenn ich Sie noch einen Monat länger ertragen hätte, hätte ich damit angefangen...")
Und so verbrachte ich zahllose Pausen damit, Oberstufenschüler zu ärgen. Bei Ihren "coolen" Gesprächen zuzuhören. Gesprächsfetzen aufzuschnappen und zu verwerten, mich ungefragt in Gespräche einzumischen, und machmal auch ganz pubertär irgendwelche Verschmähungen in Richtung Oberstufe zu rufen. 25 Minuten lang. Nur um Sophie näher zu sein.
Der gewünschte Effekt, also das gewünschte Ziel, daß Sophie mich irgendwann küssen würde, blieb natürlich aus. Zumindest war da keine Chance, es auf diese Tour hinzubekommen, und dessen war ich mir natürlich nicht bewusst, denn ich war ja 14, und mit 14 denkt man höchst selten über die Konsequenzen seines Handelns nach. Die sind einem zu dem Zeitpunkt kaum bekannt.
Lebenserfahrung war nicht da. Und statt Sophies Liebe zu mir, erntete ich mehr und mehr Haß aus der Oberstufe. "Ach Du Scheiße, nicht der schon wieder!" war wohl der Satz, den ich in jener Zeit all zu oft hörte. Aber es war mir egal, denn ich wollte ja Sophie beeindrucken. Bis dann irgendwann der Tag kam, an dem die Oberstufenjungs die Schnauze voll hatten. Sich, kaum war ich einmal aufgertreten, zielstrebig in meine Richtung bewegten. Mich zu zweit packten, und wegschleppten. Ich hatte schon eine Vermutung wohin: Besonders nervige Zeitgenossen wurden gerne mal in den Abfallcontainer gesteckt. Ich war in dieser Situation chancenlos, doch wusste ich ja, was die Herren mit mir vorhatten, und so unterließ ich es auch nicht, mich trotz der "Verschleppung" weiter lustig zu machen, und in Sicherheit zu wähnen: "Ach herrje, jetzt kommt die alte Knotte mit dem Müllcontainer. MACHT RUHIG, DAS MACHT MIR NIX!!!", rief ich aus voller Kehle.
Was ich jedoch nicht bedachte: Die beiden Jungs, die mich im Schlepptau hatten, sowie der applaudierende und skandierende Oberstufenmop, der ihnen (und mir) folgte, bewegten sich gar nicht in Richtung Müllcontainer, sonder in Richtung Biogarten.
Der Biogarten war ein Projekt des Biologie-LKs aus der Oberstufe. Ein kleines Areal, in dem Pflanzen aufgezogen und Experimente gemacht wurden, und in dessen Mitte sich ein widerwärtiger kleiner Tümpel befand, mit Fischen und Algen und Fröschen und Schlamm und grünem Mist obendrauf. Ein Alptraum von einem Teich, irgendwo hinter dem Oberstufen-Neubau, irgendwo an der Straßenseite des Schulhofes.
Und als mir diese Tatsache bewusst wurde, wurde ich hysterisch. Richtig hysterisch. Ich kreischte mir die Kehle wund, schrie um Hilfe und irgendwas mit "NICHT IN DEN SCHEISSTEICH!", ich zappelte wie wild. Doch es half nichts. Und als der Troß vor dem Teich zum stehen kam, und mich die beiden Handlanger beherzt und bis 3 zählend in Richtung Teichufer schwangen, fing ich an zu weinen, zu flehen, zu bitten und zu betteln. Hysterisch. So als würde man mich umbringen. Und dabei war es doch nur Wasser...
"Eeeeeins...", "Zweeeeeeiiii...", "Dreeeeeiii..."
Ich wurde am Ufer abgelegt. Nicht hineingeschmissen. Glück gehabt. Ich lag erschöpft am Boden und weinte immer noch. Als stünde ich unter Schock. Es klingt heute lächerlich, aber damals hatte ich wirklich Angst. Richtige Angst.
Der Troß entfernte sich, und ich lag immer noch unzählige Minuten am Boden, schämte mich, schluchzte leise vor mich hin ob der ungerechten, aber gerechtfertigten Strafe. Und plötzlich spürte ich eine warme Hand auf meinem Rücken, und eine Mädchenstimme flüsterte "Shhhhhht! Die sind weg. Ist doch nichts passiert..."
Ich war Sophie nie so nah wie zu jenem Zeitpunkt, als ich am Boden lag. Ganz unten. Und wenn ich heute rückblickend darüber nachdenke, zieht sich der sich daraus ergebende Sachverhalt wie ein roter Faden durch meine Beziehungsvita.
Denn immer wenn ich der Meinung bin, ich sei ganz unten, am Boden (und das völlig unbegründet), taucht plötzlich eine wärmende Hand auf, die mich tröstet und mir sagt, daß alles doch gar nicht so schlimm ist...
Herr shhhh
am Montag, 15. März 2004, 11:56