Die gestrige Nacht hat mir mal wieder einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht, die sich Leben nennt. Nein, die gestrige Nacht war nicht Lynch-esque, wie sonst alles um mich herum. Sie hatte eher was von einem alten, angegilbten Jean Gabin-Film, mit vielen kleinen Knacksern in der Tonspur. Was nich heißen soll, daß ich mich wie Jean Gabin fühle, denn dann wäre ihc ja dick, hätte weiße Haare, und Falten in denen ich Datteln oder Kinderfahrräder schmuggeln könnte. Es war eher dieses Gefühl, daß langsam aber sicher die Zeit abläuft. Jedwede Zeit. Sie tut es ja so oder so. Aber gestern war es irgendwie spürbar. Sichtbar, So wie Jean Gabins Falten.

Erst die Erkenntnis, daß die Erstsemester, über die ich mich kürzlich noch aufregte, nicht nur die Erstsemesterparties bevölkern, sondern allmählich auch meine geliebte Stammgastronomie infiltrieren. Da standen sie gestern Nacht alle, auf der Schwelle zum sowieso nicht eintretenden Erwachsensein, mit ihren Cocktails, Lomgdrinks und Biermischgetränken. Und fühlten sich erwachsen. Und ich mittendrin als derjenige, der sich dort, an diesem Ort eigentlich wie ein Kind fühlt. Nur eben gestern Nacht nicht. Gestern Nacht fühlte ich mich angesichts dieser Szenerie scheißealt. Jean Gabin alt.

Dann die Einsicht, daß junge Erstsemester zu Überheblichkeiten tendieren. Das tue ich meistens auch, aber immer nur mir selbst gegenüber, und meistens mit einem Hauch von Tollpatschigkeit - was die Sache ja auch irgendwie charmanter macht. Wenn aber der junge, stylishe, sturzbetrunkene Maurice die Jam-Session "rocken will", und sich in fast komatösem Zusatnd ans Schlagzeug setzt, dann fühle ich mich persönlich beleidigt. Die alteingessenen Jazz-Koriphäen, die mich zu Beginn des Abends mit virtuosen Improvisationen vom Barhocker rissen, wurden von dieser kleinen, halslosen Mistratte gänzlich aus dem Konzept gebracht. Und fühlten sich in jenem Moment wahrscheinlich wie Jean Gabin. Deshalb ergriffen sie auch die Flucht. Was schade war, da Klein-Maurice trotzdem weiterspielte.

Und später dann noch der Einblick in das Seelenleben einer Existenz, die sich selbst als gescheitert glaubt, aber letztendlich alles andere als das ist. Auch dieser Mensch fühlte sich offensichtlich wie Jean Gabin, aber eher so "Jean Gabin avec a lot of tristesse". Und hat das garnicht nötig, weil die Probleme hausgemache, respektive nur Suggestion sind. "Ich muß doch jetzt mal erwachsen werden!", sagte dieser Mensch. "Nein!", entgenete ich. "Du, ich, wir werden nicht erwachsen. Wir sind alle kleine Jungs. Wir erleben jeden verdammten Moment nur einmal. Wenn sich aber die Momente wiederholen, dann weißt Du, daß Deine Jugend vorbei ist. Und im Moment ist das weiß Gott nicht der Fall!".

Ich fühlte mich wie der alte Jean Gabin, als ich diesen Satz aussprach und Richtung Herrentoilette verschwand. Und ich fühlte mich wie der junge Francois Truffaut, als ich in jener Nacht von einer Erstsemesterin einen Kuss bekam. Einfach so. Was mich letztendlich dazu veranlasst hat, dafür zu plädieren, daß meine Stammgastronomie in Zukunft nur noch "Chez Jean" genannt werden soll...

Ich hab da sonnen Freund. Einen ziemlich guten sogar. Wenn ich den noch'n bisschen besser kennen würde, wärs sogar mein bester Freund. Aber er verschwendet leider zu viel Zeit. Mit der Liebe zum Beispiel. An so 'ne Frau, die irgendwie so tut, als sei sie das allersuperste auf der Welt. Ist die aber nich. Naja, es geht aber jetzt auch um den Freund. Also der Freund, der trinkt im moment ganz viel und verschwendet eben Zeit in irgendwelchen drittklassigen Spelunken. Weil der leidet. Und sich nicht anders zu helfen weiß. Mir selbst kann er nicht so viel erzählen, weil ich ja die ganze Zeit mit mein eigenes Ego un so beschäftigt bin, und damit Zeit verschwende, besoffen am Tresen rumzustehen und superoberflächliche Frauen anzugraben und mit so superoberflächlichen Menschen überhaupt rumzuhängen. Macht aber nix, denn um mich geht's ja auch nich wirklich. Glaubt sie, er, oder wer auch immer. Aber den Vorwurf und so, von wegen mit oberflächlichen Menschen und überhaupt mit Menschen rumzuhängen macht die dem auch. Ist ja auch so, weil wenn der zum Beispiel mit mir rumhängt, hängt der ja automatisch mit so superoberflächlichen Menschen rum. Er selber sieht das nicht so. Er denkt,ich bin ein Supertyp, und er ist total verliebt in diese Frau, weil die ihm so Sachen erzählt und ihm auch mal zuhört. Und der gibt auch sein letztes Geld aus, nur um die mit dem Zug in der anderen Stadt zu besuchen und so, und muß dann in dieser Spelunke einen Deckel anschreiben lassen, weil die den immer wieder zurückschickt, und der dann traurig ist und was trinken muß. Naja, und er sagt, daß sie sagt, daß er zu wenig über sich und andere nachdenken tut. Was aber nicht stimmt, weil der nämlich dann bis ganz tief und spät in die Nacht da sitzt und wohl über sich und anderen nachdenken tut. Und besonders wenn der über die Frau nachdenkt, tut ihm das weh, und dann betrinkt der sich, damit das nicht mehr weh tut. Ich selber finde, daß die Frau ziemlich doof ist, weil die irgendwie nicht rafft, daß er sie doll liebt. Stattdessen schubst die ihn immer ganz doll hin und her und erzählt ihm davon, wie alleine die doch ist, und wie doof die das alles mit den superoberflächlichen Menschen findet, und wie doof die mich sowieso findet, weil ich ja der Anführer der superoberflächlichen Menschen bin. Und über mich regt die sich sowieso immer auf, obwohl ich eigentlich garniux mehr mit der zu tun hab. Und wenn die sich aufregt, dann ist das irgendwie total albern. Und er will dann für sie da sein, aber sie will das nicht. Und dann machen die Liebe zusammen, damit er dann denkt "alles ist gut", isses aber nicht. Oder auch keine Liebe. Manchmal haut sie ihm auch nur so Sachen an den Kopf, aber das macht sie immer, weil sie mit sich selbst so unzufrieden ist. Sie sagt das aber nicht so richtig, und schiebt das auf alle anderen, weil die nämlich daran Schuld sind, daß sie sop unzufrieden ist. Und der Freund, der will sich langsam gegen dieses hin und her wehren, und erzählt dann so Sachen, daß er andere Frauen kennengelernt hat und so, und dann wird sie böse. Was ich aber nicht verstehe, weil sie auch immer irgendwelche anderen Männer kennenlernen will, und das soll er auch noch gut finden. Und so wie der das immer erzählt, klingt das so, als woolte die Frau immer eingesperrt sein, und nie rauswollen. Und die weiß aber nicht, ob die lieber mit mir, mit ihm, mit dem Internetz oder mit sich selbst eingesperrt sein will. Oder sogar mit irgendwem anders. Das weiß keiner so genau, weil die immer so kryptische Sachen sagt, daß man das überhaupt nicht versteht, und das ist auch ein Grund, warum mein Freund dann soviel trinkt. Und ich trink dann imer genauso viel, weil ich ihn dann nicht verstehe.

Liebe Dr. Sommer Frau, ich hab gedacht, daß, wenn ich Dir das schreibe, Du vielleicht eine Lösung hast, wie man das alles wieder besser machen kann. Oder wie man die Frau davon überzeugen kann, daß mein Freund und die ganzen anderen Menschen nicht so ist/sind, wie sie sich das immer vorstellt. Oder wie man der Frau einfach nur sagen kann, daß sie strunzdoof ist und irgendwie überhaupt nicht rafft, daß Leben was anderes ist, als ein Bild, daß man sich entwirft, oder irgenwelche Sachen im Internetz oder so. Aber das hab ich jetzt selber nicht gerafft, weil das so kryptisch war.

Aber ehrlich gesagt glaube ich,
daß das totale Zeitverschwendung ist,
dir überhaupt zu schreiben.
Weil bestimmte Menschen einfach nun mal so sind wie sie sind.
Doof, zum Beispiel.

 

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