Fünfzehn essentielle, aber unverbindliche
"reißt die Fenster auf, die Wintersau hat sich verpisst"
-Songs.

Keren Ann - Not going anywhere
Zarter Einstieg für's noch frühjahrsmüde Gemüt. Frau Ann kommt aus dem Biolay-Umfeld und haucht wundervoll zärtlich rum. Macht Lust auf schnellere Sachen wie...

Angelika Express - Schnippschnapp
...ist ein Trennungssong, und da wir uns ja jetzt mehr oder minder endgültig vom Winter trennen, dürfen die drei Mädels auch wieder rund um die Uhr auf die Kacke hauen. Alternativ für den Frühling sei natürlich das komplette neue Album "Alltag für alle!" zu empfehlen. Und gib ihm...

Berendt - Mutig sein
Alte, leider untergegangene Nummer der musikalischen Hälfte von Paula! Herr Berendt trommelt sich die Seele aus dem Leib und wir singen gerne alle mit, bevorzugt laut. Mehr Frühling, bitte!

Blumfeld - Wir sind frei
Jep, der Winter läßt uns los, also sind wir frei, und das am liebsten mit Blumfeld.

Studio Grande - Im Park
Und da man ja jetzt auch wieder schön spazieren gehen kann, folgen gleich Studio Grande mit ihrer Liebeserklärung an Liebeserklärungen im Park. Sowas geht nur im Frühling. Im Park.

Die Türen - Öde an die Freude
Der Nebeneffekt des Frühlings: Die Klamotten werden wieder bunter. Folglich brauchts auch buntere Musik, und was passt da besser als der musikalische Einstand der Elektromüller aus Berlin. Ein Song für draussen.

Lamb - Fly
Da sollte man wenig zu sagen. Wenn Lamb neben der Melancholie eine Sache gepachtet haben, dann die Euphorie, und die tropft aus diesem Song wie Honig aus'm Glas...

Furslide - Today Forever
Leider hat sich diese tolle Band um Jennifer Turner zu früph aufgelöst, aber sie haben ein paar schöne Rocker hinterlassen, unter anderem diesen wirklich hübschen Abgesang ans "Ich bleibe lieber im bett liegen!". Und wer will bei dem Wetter schon liegenbleiben!?!

Harry Connick Junior - Come By Me
Deltablues-Ragtime, was passt wohl besser? Lecker Getränk in die Hände und der Liebsten/dem Liebsten die Vocals um die Ohren gröhlen. Besser kann man gute Laune nicht vertonen. Zumindest in diesem Kontext.

Little Killers - Happy
Für die Arschrockkinder auch noch was zum Thema: Fröhlich kann auch cool sein. Also ab zu Fleurop, und einen frischen Strauss Maiglöckchen in den Moshpit geworfen.

Lost Patrol - Alright
Die 60ties Liebeserklärung des International Noise Conspiracy Sängers ist eigentlich eher dazu gedacht, bei schlechtem Wetter gute Laune zu machen, aber warum zum Teufel sollte dieser Beathüpfer nicht auch bei Sonnenschein funktionieren?

The Distillers - Drain The Blood
Nochmal was zum Mitgröhlen, diesmal aber für die kleine Schlampe in uns. Alternativ, für die bösen Buben, müsste hier auch was von den Sex Pistols stehen, aber weil die Distillers gerade angesagt sind...

Spillsbury - Die Wahrheit
Wem purer Punk dann doch zu dröge ist, der darf bei Spillsbury mithopsen, und den wohl freundlichsten Song aus der "Raus!" für sich pachten. Unter 170 BPM läuft da nix, und das passt zur wetterbedingten Endorphinausschüttung.

Stereo Total - Beautycase
Das kleine Mädchen in uns will sich jetzt pflegen und hübsch machen, weil wir ja jetzt wieder in unseren schönen Klamotten nach draussen dürfen, und weil uns Sonnenlicht ja auch ganz anders aussehen läßt. Und dazu muß natürlich Madame Kaktus, die gerade einen tollen Kurzgeschichtenband veröffentlich hat, eine kleine Aufzählung der Badezimmeruntensilien abliefern. Gehört genauso dazu wie ein gutriechendes Deo...

Irgendwer sagte mir mal todernst (sic!), daß eine der Inschriften, die man in meinen Grabstein meisseln solle, "Ich kann nichts dafür!" sein müsse.

Ich habe heute morgen mal wieder verschlafen. Und ich muß an dieser Stelle gestehen: Ich kann nichts dafür! Ob man's glaubt oder nicht, der Herr Sportraucher war schuld! Und das, obwohl ich doch seit letztem Freitag nichts mehr von ihm gesehen oder gehört habe.

Aber das, was von letzter Woche von ihm übrig geblieben ist, hat mich die ganze Nacht beschäftigt. Ich entsinne mich, daß wir letzten Donnerstag sehr lang, sehr konzentriert und sehr intensiv an einem neuen Song gearbeitet haben. "Filmmusik" heißt die Nummer, ein wuchtiger Elektropopknaller, der im Refrain zur krachigen Diskopunkbestie mutiert und in der Bridge sogar mit zuckersüßen, wolkenverhangegen Geigen aufwartet. Eine wirklich packende Nummer, und sowas behaupte ich in der Nachbetrachtung höchst selten, da ich eher zu der selbstkritischen Sorte Mensch gehöre. Zumindest was Musik angeht.

So verbrachte ich also die gestrige Nacht damit, den Gesangsaufnahmen des Herrn Sportrauchers den letzten Schliff zu verpassen. Das ist im Normalfall eine Angelegenheit, die mich vielleicht eine Stunde Lebenszeit, zwei Glas Rotwein und ca. 6 Zigaretten kostet, davon zwei beim finalen Durchhören der Nummer. Gestern Nacht gab's keinen Rotwein, dafür aber 5 geplagte Stunden Vocalmixing und ca. eine halbe Schachtel Filterzigaretten und mindestens acht Wutanfälle.

Wo das Problem für diese neuerliche Verkomplizierung einfach zu bearbeitender Dinge (wie den Sportrauchervocals) lag wurde mir erst später bewusst: Es fehlt eine Gesangskabine! Seit zwei Jahren verfrachte ich Herrn Sportraucher zum singen in die akkustisch großzügige Küche. Dort stellt er sich dann an's teure Kondensatormikrophon und haucht seine Vocals rein. Das machen wir schon so, seit wir auf die wahnwitzige Idee kamen, gemeinsam Popstars zu werden. Und im Regelfall funktioniert das wunderbar, denn der Hall in der Küche ist weich und samtig und perfekt, gibt der harten, trockenen Stimme des Sportrauchers eine kuschelige Lammfellästhetik und erspart mir eine ausgedehnte Nachbearbeitung seiner Vocals.

Das Procedere, welches in der Vergangenheit so wunderbar funktionierte, scheint aber bei den neuen, den lauten, den krachigen Nummern nicht mehr zu funktionieren. Herr Sportraucher variiert neuerdings mit seiner Stimme, singt lauter, länger, höher, stakkatohafter. Was wunderbar ist. Was auch wunderbar in die neuerliche Elektropunkausrichtung passt. Was aber auch zur Folge hat, daß der Hall meiner hochgelobten Küche plötzlich ein Eigenleben entwickelt, welches mir unbehagen verursacht.

Denn gestern klang die Aufnahme weniger nach dem weichen Teppich, den ich sonst so gerne zitiere, und der mir sonst so vieles vereinfacht. Herr Sportraucher klang schlicht und ergreifend so, als hätte man ihn in Plastikfolie gewickelt in eine Blechmülltonne gesteckt, die 25 Qubikmeter feinsten Elektroschrott fasst. Und wenn sich diese blecherne Klangästhetik über lauten, krachigen, knarzigen Pop legt, dann klingt das schlicht und ergreifend scheiße. Schlicht und ergreifend.

Also war ich dann doch genötigt, endlich mal mit Vocals zu arbeiten, und das entpuppte sich als absolut enervierendes Unterfangen. Klangcharackteristiken hinzufügen ist eine Sache, die ich durchaus beherrsche. Aber Klangcharackteristiken zu modulieren, beziehungsweise zu eliminieren, das ist eine Arbeit, die ich nichtmals meinen ärgsten Feinden an den Hals wünschen würde.

Equilizer, Enhancer, Multibandkompressoren, De-Esser, Bandsättigung, Trallalla. Es war die reinste Effekthölle, und als ich dann etliche Stunden später aus meinem Vocaltrauma erwachte, hatte ich endlich das gewünschte Ergebnis, gepaart mit rasenden Kopfschmerzen und einer generellen Un/zufriedenheit. Zwar liegen die Vocals des Herrn Sportrauchers, nachdem sie durch umbarmherzige Plugin-Fleischwölfe gedreht wurden, in lupenreiner und dynamisch passender Klangästhetik vor, doch klingt der Sportraucher jetzt weniger nach Sportraucher als vielmehr nach Julian Casablancas von den Strokes.

Was zwar zu der Nummer passt, im Kontext mit den bisherigen Songs aber die Frage aufwirft, ob es nicht als störend empfunden wird, wenn die Stimme, an die man sich in den ersten acht Songs gewöhnt hat, im neunten plötzlich nach jemand anderem klingt?

Nun gut, die Nummer ist fertig, klingt gut, und ich hab wenigestens eine plausible Totschlagausrede parat, um einer Diskussion aus dem Weg zu gehen:

Ich kann nichts dafür!

 

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