Still steht sie da. Fast militärisch. Immer Adrett gekleidet, jedoch mit dem Muff der Nachkriegs-Hausfrauenmode behaftet. Ihre aus großen Kulleraugen hervorstechenden Blicke verschwimmen hinter der goldgerandeten Brillenfassung. Die Haare zu einer hennagefärbten Blaupause aus dem Goldenen Blatt frisiert. Wortlos. Weder Hallo, noch Aufwiedersehen. Als wäre es eine Strafe, in diesem kleinen Tabakwarenladen mitten in der Einkaufszone zu arbeiten. Ein Gefängniß aus Filterzigaretten, Klatschzeitschriften und Rubbellosen. Ob sie nur zu mir unfreundlich ist, vermag ich nicht zu sagen. Aber sie ist zweifelsohne nicht an Kundenfreundlichkeit interessiert. Selbst auf kleine Späße erfolgt kein Konter. Und Grußformeln sind ihr nicht bekannt. Kein Bitte, kein Danke. Ich vermute Frustration. Wahrscheinlich hat sie mit dem Rauchen aufgehört.
Endlich frei, und doch gefangen.



Daß Balzac täglich 50 Tassen Kaffee getrunken hat
und 51 Jahre alt wurde, heißt noch lange nicht,
daß er 71 geworden wäre, wenn er täglich 70 Tassen getrunken hätte.

(Max Goldt)
schnatterliese kommentierte am 24. Mär, 15:45:
vollkommen klar
die dame kommt ursprünglich aus berlin.
hier nun ein tip, der gold wert sein könnte: selber unfreundlich sein und zwar sehr unfreundlich, dann taut dieser schlag mensch auf, schlagartig! 
shhhh entgegnete am 24. Mär, 15:47:
Mein Lieblingstabakhändler
ist letztes Jahr an Lungenkrebs gestorben. Ich mochte ihn sehr, weil ich bei ihm wortlos Zigaretten kaufen konnte... 
milkandhoneym entgegnete am 24. Mär, 17:45:
Schnatt, die Frau koennte auch
aus dem Schwabenland sein. Aber die unfreundlich-sein Taktik funktioniert. Scheinbar immer. Ich habe sie beim Metzger gelernt. Als ich erstmal unfreundlich wurde, wurde ich freundlich begruesst und bekam das beste Fleisch. 
moolder entgegnete am 25. Mär, 09:34:
Seltsam, Menschen, manchmal. Aber bitte... 
 

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