22.12. - Einkaufen

Sich der Tatsache bewusst zu sein, daß die geschenkpapierfarbene Glitzereinkaufswelt des örtlichen Konsumtempels auch zwei Tage vor Weihnachten nicht stressfreier sein wird, macht die letzten zwei Tage vor Weihnachten auch nicht besser. Und jedes Jahr aufs neue Betrüge ich mich selbst. Abwartend, in der Annahme, daß spätestens am 23.12. um ca. 18 Uhr die ganzen Konsumtouristen aus den Randgebieten dieser Kleinstadt endlich wieder zu Hause eingesperrt wurden, und mir den Weg durch viel zu enge Einkaufsgassen freigeben. Darf ich mal bitte durch.

Aber nein, es ändert sich nichts, und die Ruhe kehrt erst ein, wenn die penetrante Parfüm-Fahne vor den Türen der lokalen Douglasfilialen durch kalte Winterluft verwässert wurde; wenn die letzte Weihnachtsmusik abgeklungen ist; wenn am 24.12. ihre Pforten für ganze zwei Tage schliessen. Und dann ist es schon zu spät für Weihnachtseinkäufe. Respektive: Für Einkäufe, die eigentlich nichts mit Weihnachten zu tun haben, sondern zur Standard-Woechenversorgungsprozedur gehören.

Also heute noch Betablocker einwerfen
und ohne Gefühl ab ins Gewühl.
Und im nächsten Jahr für einen
weihnachtsfreien Supermarkt plädieren!

23.12. - Wiedersehen

Hier, in dieser von Wäldern und Hügeln und Freikirchlern eingekesselten Provinzweltstadt ist es Usus, sich am 23.12. auf dem Weihnachtsmarkt zu treffen. Besonders dann, wenn man gemeinsam die Schulbank gedrückt hat. Die Flüchtlinge, jene mittlerweile Erwachsenen, die damals als Jugendliche nach dem Abitur so clever waren, die Stadt für immer zu verlassen, kehren am 23. dieses viel zu kalten Monats zurück, um die Daheimgebliebenen, also die, die nie den Mut besaßen diese Stadt zu verlassen, wiederzusehen. Kneipen und Diskotheken sind übervölkert, proppevoll, gefüllt mit Menschen, die sich auf diese Art und Weise Solidarität und Zusammengehörigkeit vorgaukeln. Stufentreffen statt Christmette. Der Effekt ist ähnlich. Zugereiste Spötter, zu denen ich mich auch zähle, hinterfragen dieses merkwürdige Ritual. Und schliessen sich wahlweise zu Hause ein, oder verbringen den 23. anderweitig. Mit anderen Zugereisten beispielsweise. Stille Nacht und so.

24.12. - Höchstbelastung für den Magen

Der obligatorische Besuch bei den Eltern in Düsseldorf. Wie immer eine harte Belastungsprobe für den Verdauungstrakt. Mengen, die ich in einer ganzen Woche nicht zu essen wage, werden in kürzester Zeit aufgetischt und verspeist. Fast schon wie unter Sachzwang. Ist ja Weihnachten. Dazu die obligatorischen Verhörtechniken. Was wohl aus dem jungen geworden ist. Wieso er nicht öfter zu Besuch kommt. Warum er nicht noch mit seiner Exfreundin zusammen ist. Wieso das so nicht weitergehen kann. Die Feiertagsdiktatur. Meine Eltern und die Verwandschaft agieren als Despoten einer kleinen Bananenrepublik, aus der ich vor Jahren zu flüchten gedachte. Aber die Staatsbürgerschaft gibt man nie wirklich ab. Und sowas kann unter Umständen auf den Magen schlagen. Feiertagslaune? Ja, aber eine schlechte. Und wenn die zähen Stunden verbracht und verbraucht sind naht mir das erst Set an Weihnachtsfeiertagen, daß ich völlig autark verbringe.
stilsicher kommentierte am 6. Jan, 17:17:
der 23.12.
ruft unwillkürlich das wort 'würzburg' in mir hervor.
den 24.12. kenn' ich nur zu gut......wobei ich einen durchaus dehnbaren magen, aber unfassbar starre nerven mein eigen nenne. 
shhhh entgegnete am 6. Jan, 17:27:
Belastbaren
Magen und Nervenstärke beweise ich im realen Leben, aber bei Familienbesuchen treten die Gesetze des normalen Alltags ausser Kraft. Bei mir hat das was, um es mla gnaz geschmacklos auszudrücken, immer ein wenig Ähnlichkeit mit der Rückkehr nach Vietnam. Nur daß ich leider nicht John Rambo bin, vergesse ich allzu gerne... 
 

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