Der hier geschriebene Text fällt zu weiten Teilen wieder unter die Rubrik "Herr Shhhh jammert sich einen zurecht!". Aber ich jammer nicht wirklich, ich reflektiere nur den übriggebliebenen Schimmer der letzten Nacht, und der war streckenweise traurig. Also, wer "Jammer-Shhhh" nicht mag, mag was anderes lesen...

So verabschiedete ich mich also gestern mit einem überglücklichen Grinsen in die Nacht. An meiner Seite: Die dicke Tasche gefüllt mit Jazz. Auf silbernen Tonträgern zusammengetragene Klassiker, die ich übereilig und übereifrig aus meinem heimischen Tonträgerchaos zusammengewürfelt hatte. Denn heute war ja mein Abend, der Barjazz-Abend, der Abend, an dem der Herr Shhhh, der sonst vor dem Tresen sitzt, und zu dieser Musik am Martini nippt, plötzlich hinter dem Tresen steht, und die Musik auflegt. Und trotzdem am Martini nippt.

"Getränke gehn aufs Haus!". Wenn man von seinem Lieblingsbarmann mit solch netten Worten begrüßt wird, kann der Abend nur gelingen. Und dabei war mit gar nicht nach Alkohol, sondern nur nach Jazz. Weil Jazz meine alte neue alte (oder neue alte neue) Liebe ist, und ich ihr das tagtäglich zu beweisen versuche.

Da stand ich also mit Kopfhörer auf dem Kopf und Zigarre zwischen den Lippen, ließ Miles Davis im Wechsel mit Dani Siciliano, Chet Baker im Wechsel mit Matthew Herbert, und Duke und Dizzie im Wechsel mit Harry Connick Jr. und Tony Bennett erklingen. Und es war gut. Nicht unbedingt im biblischen Sinne, aber im Sinne von: Wenn sogar die langhaarige Metal-Fraktion mit den Ohren am Tresen kleben bleibt, kann es nicht wirklich schlecht sein.

Es machte Spaß. Ich log legte also alles auf, was mir in den letzten Monaten Kummer von der Seele nahm, und mich mit Melancholie und Martini füllte. Und blickte in diese dunkel beleuchtete Szenerie, die so vieles offenbarte, was mich hätte traurig machen müssen. Gute Freunde, die weit entfernt von guten Exfreundinnen saßen. Gebrochene Herzen, die die Situation doch irgendwie im Griff hatten. Und einsame Menschen, die unter dem musikalischen Melancholie-Overkill ähnlich litten wie damals ich.

Dann meine Pause. Der Herr Barmann übernimmt für eine Stunde meinen Posten, begibt sich in brasilianische Gefilde, und ich setze mich zum Herrn Sportraucher, der versonnen immer wieder an den Nebentisch mit seiner und meiner verflossenen Liebe blickt. "Vor einem Jahr saßen wir noch zu viert an einem Tisch", fiel es aus seinem Mund. Ich schaue ihm in die Augen, und sage: "Manchmal ist das Leben ein Arsch!". Er nickt, und blickt noch etwas trauriger. Und während die Cubanischen Allstars um die Wette musizieren, und mein guter Freund mit einem Desperados in der Hand ins Leere blickt, jammert in meinem Kopf Chet Bakers Trompete die traurigen Klänge von "You don't know what love is".

You don't know what love is
Until you've learned the meaning of the blues
Until you've loved a love you've had to lose
You don't know what love is

(...)

You don't know how hearts burn
For love that can not live yet never dies
Until you've faced each dawn with sleepless eyes
You don't know what love is.....what love is....


Es war der wohl traurigste Moment in diesem Jahr, das so merkwürdig begonnen hat. Die Melancholie umhüllte uns beide, und ich sah an den Augen meines Kompagnions, meines guten Freundes, daß bei ihm ein großer Schuß tiefgründiger Traurigkeit und Verzweiflung mitschwang. Die selbe Art von Verzweiflung und Resignation, die mich letztes Jahr in einer ähnlichen Szenerie ausknockte. Mit traurigem Barjazz, und Exfreundin und allem drum und dran.

Aber ich verspürte irgendwie auch einen Schimmer Hoffnung (in ihm). Meinen kleinen Schimmer Hoffnung hatte ich ja bereits irgendwie, irgendwo im Jazz gefunden, und ich sah plötzlich, daß auch der Herr Sportraucher noch nicht total resignieren wollte. Also entließ ich ihn zuversichtlich in die Nacht und machte mich wieder auf zu meinen Platten.

"Make it one for my baby, and the other one for the road..." war ihm gewidmet, aber da wusste er nichts von.

Wenn ich groß bin, möchte ich eine Gesichtsoperation haben, und aussehen wie Jude Law, und dann möchte ich bei der Oscar Verleihung über den roten Teppich laufen und der Hauptdarstellerin aus Dharma & Greg, deren Namen ich immer vergesse, an den Arsch fassen, und dann knallt sie mir eine, und ein Journalist von Entertainment T(w)oday wird mich fragen: "Mr. Law, why did you do such a disgusting thing?", und ich werde den erotischen Jude Law-Blick auflegen und sagen: "You know, I'm just a fucking little sehpferd, you bitch!".

Für alle, die damit nichts anfangen können: weiterlesen weitergehen!

 

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