Ich mag HipHop nicht. Nicht wirklich. Warum? Ich weiß es nicht. Gut, ich könnte jetzt die typischen Anti-HipHop-Klischees anführen, die man immer gerne in die Luft wirft, wenn man begründen will, warum man HipHop nicht mag. Von wegen: Das ist ja keine Musik! Aber Musik an sich ist mir zu wertvoll, als daß ich sie mit Plattitüden abschmettern könnte, nur weil mir etwas nicht gefällt. Letztlich sehe ich ja immer die Arbeit dahinter, und egal ob mir das Endprodukt gefällt oder nicht: Ich muß zuerst die Leistung honorieren können, bevor ich meinen eigenen Geschmack ins Rennen schicke.

Ich mag HipHop nicht. Bei R'n'B fällt mir die Argumentation wesentlich leichter. Man höre sich nur die Charts an. Ein großteil der R'n'B-Tracks basiert letztendlich auf dem Blueprint irgendwelcher Marvin Gaye-Tracks. Die Formel, die uns auch Dancefloor virgehalten hat, zieht hier noch extremer: Man kopiere einfach Erfolgsrezepte, packe das ganze auf unter 4 Minuten, lasse ein Goldkehlchen irgendeine Belanglosigkeit über Liebe oder Sex ins Micro schmauchen, und fertig ist der Hit. Die Kopie läßt sich bis ins kleinste Detail, bis ins fragilste HiHat-Pattern zurückverfolgen. R'n'B bleibt bei mir als amerikanisches Pendant zum deutschen Schlager hängen. Substanzlos.

Ich mag keinen HipHop. Aber ich versuche, mich damit auseinanderzusetzen, weil da eine Substanz, ein Bemühen, eine Aussage und vorallem eine Eigenständigkeit erkennbar ist, die in anderen Genres schon mit dem ersten "Hit" verloren ging. Mir fällt es leicht, zwischen originellen Produktionen und einfachen RipOffs zu unterscheiden. Vorallem britische Sachen wie Roots Manova, DJ Vadim, Herbaliser und dem ganzen Big Dada Zeuchs, da erkenne ich eine gewisse Originalität, die versucht, gängige Grenzen zu überschreiten. Mein Gehör schaltet jedoch automatisch aus, wenn's betont amerikanisch wird. Ich weiß nicht warum ich die breite Masse an amerikanischen HipHop-Produktionen nicht mag, aber ich mag auch keine klaren Suppen, und weiß nicht genau warum. Im Kindergarten hätte ich mit "Darum!" geantwortet. Aber das zieht in meinem Alter nicht mehr.

Und jetzt habe ich also diese N.E.R.D.-CD vor mir liegen, die mir eine liebe Freundin geschickt hat. Sie ist absolut begeisterter N.E.R.D.-Fan, war sie wohl schon von der ersten Stunde an. Im Moment ist jeder absolut begeisterter N.E.R.D.-Fan, was wohl mit den Medien zusammenhängt, die ja gerne mal um des Hypes willen hypen. Ich sag nur Franz Ferdinand. Ich bin da eher resistent, füge mich aber dennoch der Mehrheit, und gebe N.E.R.D.s "Fly or die" zweieinhalb Hördurchgänge Zeit, mich von irgendwas zu überzeugen. Was auch immer das sein mag.

Ich tue mich sehr schwer damit, mich auf Platten einzulassen, die nicht meinem Gusto entsprechen. Jetzt ist das bei dieser N.E.R.D.-Geschichte aber so, daß die Herren sich annähern, und gängige Sachen in ihren Sound einflechten (Gitarren zum Beispiel). Böse Zungen würden sagen, da findet eine Anbiederung an die breite Masse statt. Ich selbst seh das jetzt mal als Versuch, mit Konventionen zu brechen. Dennoch, bei mir bleibt nach 2 Durchgängen nichts besonderes hängen. Die Sachen klingen cool und leidenschaftlich, warm und packend, aber ich selbst hab meine Probleme mit der Gesamtrichtung und den leicht souligen Tendenzen. Ich muß jedoch gestehen, Nummer wie "Fly or die", "Breakout" oder "Don't worry about it" haben was wummernd krankes an sich, und das gefällt mir im Ansatz. Aber mehr auch nicht.

Und dann ist da die Sache mit der Produktion. Da wird also ständig drauf rumgeritten, daß die Herren N.E.R.D., respektive deren Nebenbroterwerb, die Neptunes, gottweißwas für Magier am Mischpult sind. Lebende Produzentenlegenden. Da sach ich ersma kategorisch: Nö. Butch Vig, Rick Rubin, Flood, Trevor Horn, die dürfen so tituliert werden, aber ein paar daherspatzierte mitt20er, die jetzt gerade mal ihre 15 Sekunden haben, dürfen das nicht. Ich mache den Neptunes keinerlei Talent streitig, denke aber, daß man mindestens ein bis zwei Dekaden Musik produziert haben muß, um als Produzentenlegende durchgehen zu können. Respektive gehört da meines erachtens auch zu, mindestens drei bis fünf Produktionen in Petto zu haben, die eine längere Halbwertszeit als 5 Jahre vorweisen. Und da sind die Herren einfach noch zu frisch für. Wertneutrale Meinung, einfach nur eine Sache der Reputation. Was die Produktion an sich betrifft: Yep, schön, weil für meine HipHop-Begriffe auf jeden Fall anders. Arrangement, Klang, Stilistik, Ästhetik kommen erschreckend originell für eine vermeintliche HipHop-Platte. Da setzt bei mir aber auch wieder der generelle Musikonsument ein, der sagt: Wenn ein HipHop-Album wie eine Pop-Platte klingt, ist das kein HipHop, sondern Pop. Mir gefällt's dennoch, aber ich würde mich davor hüten, die Sache über den grünen Klee zu loben, weil's halt eben an sich nichts neues ist. Zitate hier, Zitate da. Für's Genre sicherlich ein Geniestreich, für mich jetzt einfach nur frisch, aber nicht aus den Socken hauend.

Ein ulrimatives Fazit lass ich jedoch an dieser Stelle mal aus, weil ich dann am Schluß der Meinung bin, daß zweineinhalb Durchgänge nicht reichen, um sich eine definitive Meinung über eine PLatte bilden zu könne, die jeder in höchsten Tönen empfiehlt. Deshalb wird die Platte gleich brav mit nach Hause genommen, und bei der Frischmachprozedur für den Abend gehört. Vielleicht tut sich dann mehr. Spätestens, wenn ich mich vor Schreck beim Rasieren schneide, weil dann doch was hängen geblieben ist.

Und unterdessen: Hot Hot Heat - Bandages!

 

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