Es ist dieser einzigartige Moment, der mich noch immer an meinem Job festhalten läßt. Dieser Moment der absoluten Freiheit, der sich einstellt, wenn man vor einem leeren Dokument sitzt. Auf den Monitor starrt. Die Maus im Anschlag. Die Verpflichtung im Hinterkopf, dieses kleine binäre, ein paar Kilobyte umfassende Etwas mit Farben, Formen, Typographie, mit Vektoren und Pixeln füllen zu müssen.

Das Gehirn dreht sich um sich selbst, die Synapsen glühen vor Anstrengung, der kleine Bereich im Hinterkopf, der für Ideen wie Weltkriege und Liebesbriefe zuständig ist, arbeitet mit maximaler Auslastung, und es herrscht trotz klingelnder Telefone, stampfender Büronachbarn und quitschender Vorzimmerkolleginnen absolute Ruhe im kleinen Mikrokosmos, der sich um den eigenen Schreibtisch mit voller Wucht entfaltet.

Kreativ ist man immer. Irgendwie. Die einzige Variable ist das Ergebnis. Mal offensichtlich zu beeinflusst von bereits existentem Material, zu nah am Plagiat, oft aber auch viel zu eigenständig, um beim Kunden Anklang zu finden. Herausforderung Nummer Zwei: Der Mittelweg ist das Ziel.

Viele Momente später kommt die Maus zum Ruhen, das stoische Klackern der Tastenkürzel verklingt unter angespannten Fingern. Und das Dokument ist gefüllt. Mit Farben, Formen, Typographie, mit Vektoren und Pixeln. Allein dafür lohnt der Job. Leider nicht immer. Aber meistens.
-buck kommentierte am 26. Apr, 21:23:
Schön gesagt!
Allerdings gibt es auch die Momente, wo man, nach langem Kampf mit der Kreativität, mit Kundenwünschen, mit technischen Problemen, mit besserwissenden Kollegen (die fragt man einfach nicht mehr. Nie. Bah!) ein Meisterwerk (schon wieder) vollendet hat.

Und dann kommt dieser Moment, wo all die Anspannung von einem abfällt. Und das ist irgendwie dann auch nicht befreiend. Eigentlich brennt man innerlich noch lichterloh, und dann ist doch die Aufgabe weg. Man fällt irgendwie in ein tiefes Loch. 
shhhh entgegnete am 26. Apr, 21:30:
Jep, das tiefe Loch, leider.
Auch schlimm: Mit zunehmenden Umsatzdruck werden die "Momente" seltener. Seit Januar, also seit beginn meiner Selbstständigkeit in diesem Genre, daß ich bisher über 7, nein sogar 8 Jahre im Angestelltendasein fristete, ist das alles irgendwie härter und undankbarer geworden. "Momente" wie den oben beschriebenen gab's vielleicht nur zwei Mal, und das ist in Anbetracht der doch recht heftigen Auftragslage einfach zu wenig.

Aber man hat ja noch so seine privaten Steckenpferdchen... 
pezzi entgegnete am 27. Apr, 08:33:
Haargenau!
Genau so gings mir während meiner IPA (Individuelle Produktiv Arbeit) hier in der Firma. 2 Wochen lang mit gutem Feeling gearbeitet und dann noch präsentiert, eine 5.5 kassiert (CH-System). Diese 2 Wochen werde ich nie vergessen!


Genial beschrieben Herr Shhhh! 
shhhh entgegnete am 27. Apr, 09:07:
5,5
Haben Sie dann gut oder schlecht abgeschnitten? Hoffe doch ersteres.

Und danke für's Kompliment... 
emilybeat entgegnete am 27. Apr, 12:26:
Wenn es
allerdings erst einmal nicht fluppt, wenn ich Pixel schubse und schiebe und nichts besser zu werden scheint, man sich an der Datei schon völlig überguckt hat, dann frag ich mich manchmal, warum ich mir das immer wieder antue, sehne mich nach einem Job, bei dem ich weder Gehirn noch Herz brauche und will mich verkriechen.
Zum Glück folgt dem Ganzen meist die oben beschriebene Hochphase. Die umso höher ist, je schlimmer das Davor war. (Mein Davor ist eigentlich immer ziemlich schlimm und die Selbstkritik und die damit verbundenen Zweifel schier endlos). Bei meinem momentanen Projekt befinde ich mich gerade auf dem Weg nach oben. Glaub ich :) 
shhhh entgegnete am 27. Apr, 13:30:
Davor und danach,
das sind die ätzenden Momente. Dieses stete kämpfen um Ideen, um Geld, um Zeit. Das nervt an der ganzen Sache, macht den "Moment" aber umso dankbarer... 
emilybeat entgegnete am 27. Apr, 14:16:
Ich bekomme
dann immer so ein Gefühl wie damals in der Schule bei Klassenarbeiten, wenn ich merkte, die Zeit schwomm mir weg, die Anspannung immer grösser wurde und ich mich damit noch zusätzlich unter Druck gesetzt habe.
Ich arbeite aber gerade daran und zum Glück gibt es meist mentale Streicheleinheiten von der Chefetage für das, was ich tue. Wenn ich jetzt mal noch lernen könnte, denen auch zu glauben ... 
shhhh entgegnete am 27. Apr, 14:22:
Also dieses
Klausurgefühl legt sich nach einiger Zeit, und mutiert zu einem "Warum tu ich mir den Streß eigentlich an?". Und irgendwann, nach der 1000sten Überstunde, wünscht man sich, man arbeitete in einem Supermarkt. Im Carsh-Haus zum Beispiel... 
emilybeat entgegnete am 27. Apr, 14:39:
In ein
Kaufhaus will ich nie wieder. Jeden Tag diese Menschnmutationen in der Kantine, die einen mit "Mahlzeit" begrüssen.
Ich sitze ausserdem mit einer frischen Laufmasche am Schreibtisch, höre elendig laut Musik über Kopfhörer und konsumiere einen Kaffee mit Milka-Kuhfleckeneis drin. Wo kann man sich während der Arbeit sonst noch so gehen lassen...? 
shhhh entgegnete am 27. Apr, 14:49:
Wo man sich während
der Arbeit sonst noch gehen lassen kann!?!
Auf'm Klo, Frau Emily, auf'm Klo... 
emilybeat entgegnete am 27. Apr, 14:56:
Ich meinte eher,
bei welcher Arbeit. Und kommenSe mir gezz nich mitm Puff.
Oder waren Sie mal Klomann? 
shhhh entgegnete am 27. Apr, 15:00:
Ne,
ich war weder mal Klomann, noch im Puff, aber ich kannte mal einen Zuhälter, der hat sich gehen lassen, und gezz sitzta 10 Jahre im Knast ab. Übrigens der selbe Knast, wo noch kürzlich der Semmelrogge gesessen hat.

Gehen lassen kann man sich im Gehnlabor, um mal wieder eine Zote zu reissen... Hö! 
emilybeat entgegnete am 27. Apr, 15:05:
Klingt
nicht sehr angehnehm. Waaah! 
shhhh entgegnete am 27. Apr, 15:09:
Meinen Sie
jetzt die Sache mit dem Zuhälter? Ne, echt nicht. Das war ein guter Freund von einem ehemaligen Arbeitskollegen von mir, und ich wusste damals zwar, dass diese Person ein Zuhälter war, ich wusste aber nicht, daß er die Schlüsselfigur im berüchtigten Siegener Rotlichprozess ist, und damals zwei Prostituierte mit ner Autobombe in die Luft gejacht hat. Der war eigentlich immer ganz nett. So kann man sich irren. 
emilybeat entgegnete am 27. Apr, 15:17:
Eigentlich
meinte ich das "Sich gehen lassen" im Gehn-Labor. Deshalb auch angehnehm, um einen noch hochqualifizierteren Scherz zu machen :)

In Köln bei mir ums Eck wurde abends um halb zehn mal jemand mit 10 Schüssen umgebracht. Ich fand es danach nicht mehr so toll, zu fortgeschrittener Stunde draussen rumzulaufen. Natürlich war angeblich die Mafia drinverwickelt. Sie hatten bestimmt auch was damit zu tun, wenn ich mir das jetz gerade mal so überlege. Ja doch. Bestimmt. 
shhhh entgegnete am 27. Apr, 15:22:
Mafia?
Kann sein. Aber ich bin eher für die Sachen mit Beton und so zuständig. Einer meiner besten Kunden stellt selbstnivellierenden, schnelltrocknenden Flüssigbeton her. Da kriechich Prozente. Das Zeuch heißt "Easyflow", aber bei uns wird's manchmal auch "Easydive" genannt. Meine Familie liebt mich dafür... 
emilybeat entgegnete am 27. Apr, 15:58:
Ich benutze
die CO2-Zylinder eines unserer Kunden sowohl im Nah- als auch im Fernkampf. Sehr praktisch. (öhem, ich hab gestern zuviel Kill Bill geguckt) 
shhhh entgegnete am 27. Apr, 16:02:
Killbill.
Ich fand ja nicht nur die Füße häßlich in dieser einen Szene... 
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma